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So wie ich will - Mein Leben zwischen Moschee und Minirock

Titel: So wie ich will - Mein Leben zwischen Moschee und Minirock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melda Akbas
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einer Ehe mit Baba hielte, allerdings von ihrer Mutter.

    Ich kann hier nur wiederholen, was mir erzählt wurde. Demnach soll Anne gleich einverstanden gewesen sein. Ach so, habe ich erwähnt, dass Baba gar nicht anwesend war? Und es war auch nicht so, dass die beiden zuvor schon zusammen aus gewesen wären oder auch nur ein Wort miteinander gewechselt hätten. Anne hatte Baba wohl einmal gesehen, das immerhin, mehr aber nicht. Vermutlich vertraute sie einfach ihrem Vater, der würde ihr schon keinen schlechten Mann aussuchen. Was sag ich? Vermutlich? So muss es gewesen sein.
    Doch noch war Annes Zustimmung nicht verbindlich. Das sagte sie nicht, musste sie auch nicht, denn so geht der Brauch. Zwei oder drei Tage später - auch das gehört dazu - lief Babas Familie erneut bei ihr zu Hause auf, um sich das Söz abzuholen, das Wort, das Versprechen oder anders ausgedrückt: die Ehezusage. Diesmal war Baba dabei, ohne ihn wäre es auch schlecht gegangen, denn das Söz geben sich die zukünftigen Eheleute gegenseitig. Und damit alle sehen, dass sie einander versprochen sind, schenken sie sich Ringe. Normalerweise. Im Fall meiner Eltern wurde darauf verzichtet. Bei ihnen gab es die Ringe erst zur Verlobung, die fand aber auch nur zwei Wochen später statt. Von da an vergingen noch einmal knapp vier Monate - und sie waren Mann und Frau. Mit achtzehn.
    Und mit neunzehn wurden sie Baba und Anne, Vater und Mutter. Ein atemberaubendes Tempo, finde ich, dafür, dass sie sich ja kaum kannten. Und vor allem dafür, dass sie das erste halbe Jahr nach ihrer Hochzeit quasi in der Wohnung von Babas Eltern verbrachten. Ich nenne diese Phase den Ehetauglichkeitstest. Allerdings musste sich dem nur Anne unterziehen. Für sie muss diese Zeit in etwa so gewesen
sein, wie ich mir die Hölle vorstelle. Zwar hatten die beiden eine eigene Einzimmerwohnung. Die befand sich nur leider im selben Haus und auch noch auf derselben Etage, direkt gegenüber. Was zur Folge hatte, dass sie nur die Nächte dort verbringen konnten. Tagsüber hielten sie sich bei Babas Eltern auf, weil das so üblich war. Allerdings nicht zum gemütlichen Kaffeekränzchen, Annes Schwiegereltern wollten die Frischangetraute ihres Sohnes als perfekte Hausfrau erleben. Putzen sollte sie und kochen, Tee servieren und sich überhaupt gut benehmen, also die Klappe halten und sich fügen, unterwürfig jede Kritik ertragen und sich natürlich jederzeit gebührend kleiden, was nichts anderes hieß, als sich zu verhüllen. Selbst an heißen Sommertagen galten kurze Ärmel als Sünde.
    Wie sie das aushalten konnte, ich wäre abgehauen, aber ich kann das heute leicht sagen. Vielleicht kam mein Brüderchen Tayfun ja auch deshalb so schnell. Zu dritt brauchten sie eine größere Wohnung und zogen fort. Zwar nur ein paar Straßenecken weiter, das genügte aber, um der Dauerbeobachtung durch Babas Eltern zu entkommen.
    Baba dürfte sich über die hohen Ansprüche an Anne kaum gewundert haben. Wenn er von seiner Kindheit erzählt, klingt es so, als hätten ihn seine Eltern extrem streng erzogen. Manchmal hält er uns diese alten Geschichten vor und meint, daran könnten wir sehen, wie gut wir es hätten. Wovon er auch erzählt, stets wird deutlich: Respekt galt als oberste Grundtugend, vor allem Respekt Erwachsenen gegenüber. Dem eigenen Vater widersprechen? Undenkbar! Niemals hätte er sich solche Wortgefechte erlauben dürfen, wie ich sie manchmal mit ihm oder mit Anne austrage. Das hat ihn fürs Leben geprägt. Noch heute würde er nicht wagen,
im Beisein seines Vaters zu rauchen, weil er weiß, dass dieser dagegen ist.
    Mir fällt gerade auf, dass ich die ganze Zeit, während ich darüber schreibe, wie sich meine Eltern kennenlernten, den Kopf schüttele. Für mich ist die Geschichte ja nicht neu, aber vorstellen kann ich sie mir irgendwie trotzdem nicht. Wenn ich mal von mir ausgehe: Ich verliebe mich nicht Knall auf Fall in jemanden. Gut, verknallt bin ich schneller mal, aber das ist etwas anderes. Liebe braucht seine Zeit, ich muss den anderen erst einmal besser kennenlernen, mit ihm zusammen sein, ehe sich Gefühle einstellen oder eben auch nicht. Manchmal ist es ganz banal: Eigentlich gefällt er mir, aber dann merke ich, dass er sich ständig an der Nase kratzt, und plötzlich wird das nichts mit der Liebe, ohne dass ich erklären könnte, warum sich mein Herz wieder verschließt, wo er doch ansonsten ein netter Kerl ist.
    Und jetzt stelle ich mir vor, wie es bei Anne und Baba

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