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Socrates - Der friedvolle Krieger

Titel: Socrates - Der friedvolle Krieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Millman
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noch?«, hatte ihn Valeria gefragt. Damals hatte er nicht antworten können, aber heute wusste er, warum er überlebt hatte. Als er nackt unter dem Sternenhimmel stand, wurde ihm klar, welchen Weg er nun gehen musste. Aus der Unterwelt kehrte er zurück in das Reich der Lebenden.
    Vor ihm tauchte erst das Gesicht seines Großvaters auf, dann das seiner Mutter und zum Schluss das seines Vaters. Sie schenkten ihm einen Augenblick der Liebe und geistiger Klarheit. Aber der Moment verging zu schnell. Erinnerungen allein würden ihm nicht die Kraft geben, am Leben zu bleiben. Nur der Gedanke an einen Mann hatte diese Macht - und dieser Mann hieß Dimitri Sakoljew.
    Sergej dachte an seinen fehlgeschlagenen Versuch, die Männer zu Fuß und verletzt, wie er war, zu verfolgen. Wie konnte er jemals geglaubt haben, damit Erfolg zu haben? Hatte er auf göttlichen Beistand gehofft? Hatte er ernsthaft geglaubt, übermenschliche Kräfte zu besitzen? Seine Ausbildung hatte ihn befähigt, gegen einen oder zwei untrainierte Männer zu kämpfen - möglicherweise sogar gegen drei -, aber nicht gegen einen ganzen Trupp erfahrener Kämpfer. Sterben war leicht. Nun musste er leben, um seine Mission zu erfüllen. Er würde trainieren, wie vor ihm noch kein anderer trainiert hatte, er würde jeden Schmerz auf sich nehmen, er würde stark werden. Und wenn er Sakoljew das nächste Mal begegnete, würde er bereit sein.
    Selbst der Wunsch nach Rache kann einem Leben Sinn geben. In dieser Nacht, als der Geist des Kriegers über ihn kam, wurde Sergej Sergejewitsch Iwanow wahrlich der Sohn seines Vaters. Mit einem Mal war er erfüllt von Klarheit, Geduld und Entschlossenheit. Er wusste, die Kraft würde ihn nicht im Stich lassen, wenn er sie brauchte. Er würde nach Menschen suchen, die ihm helfen konnten, seine Kraft zu entwickeln. Und wenn er so weit war, dann würde er Sakoljew und Korolew finden und sie zur Hölle schicken.

TEIL 4
    Der Weg des Kriegers
    Ich habe nicht immer daran geglaubt, dass einem
Kraft daraus erwachsen kann, dass man gebrochen wird.
Ich habe nicht immer daran geglaubt, dass sich
die eigene Bestimmung in einer Tragödie offenbaren
kann. Aber jetzt glaube ich daran.
     
MAX CLELAND

23
    I m Spätsommer des Jahres 1892 - kurz vor seinem zwanzigsten Geburtstag - begab sich Sergej Iwanow auf eine Reise, die ihn zu einem unbesiegbaren Krieger machen sollte.
    Auf seinem Weg nach Süden erinnerte sich Sergej an die Worte von Alexej dem Kosaken, der damals vor den fasziniert zuhörenden Kadetten auf und ab gegangen war und verkündet hatte: »So wie ihr nicht versuchen würdet, einen Baum mit einer stumpfen Axt zu fällen, so dürft ihr auch nie unvorbereitet in die Schlacht ziehen. Um einen Feind besiegen zu können, muss man ihn zuerst kennen lernen. Und um einen Feind kennen lernen zu können, muss man sich selbst kennen. Stellt euch zunächst euren eigenen Dämonen, bevor ihr denen eurer Feinde auf dem Schlachtfeld begegnet.«
    In der letzten Zeit war Sergej seinen inneren Dämonen auf Schritt und Tritt begegnen. Und auch jetzt hatte er Mühe, sich mehr als ein paar Augenblicke auf eine Aufgabe zu konzentrieren, weil immer wieder die Bilder des Grauens in ihm aufstiegen. Und sein geschundener Körper würde heilen müssen, bevor er auch nur daran denken konnte, ernsthaft zu trainieren.
    Er war in die Wälder zurückgekehrt, wo er einen ruhig dahinplätschernden Bach fand, an dem er sein Lager aufschlug. Er stellte Fallen, fischte und jagte. Er trank das klare Wasser des Baches und gewöhnte es sich wieder an, jeden Morgen ins eiskalte Wasser zu tauchen. Abends saß er in tiefer Betrachtung versunken vor dem Lagerfeuer und schaute in die Flammen.
    Als er sich in die Einsamkeit des Waldes zurückgezogen hatte, war er völlig abgemagert gewesen, aber in den folgenden Wochen nahm er dank seines einfachen, aber nahrhaften Speiseplanes an Gewicht zu. Fleisch und Fisch wurden durch reife Früchte und Beeren ergänzt. Er fing an, sich jeden Tag ausgiebig zu dehnen und Kräftigungsübungen für Bauch, Rücken, Arme und Beine zu machen. Zuerst wiederholte er einfach das, was er in seiner Jugend gelernt hatte, aber nach und nach lernte er sich mehr auf seine Instinkte zu verlassen.
    Das Leben im Wald eröffnete ihm reichlich Gelegenheit, Ausdauer und Kraft zurückzugewinnen. Ging er in der ersten Zeit noch am Bach spazieren, so fing er bald an, täglich dieselbe Strecke zu laufen. Schließlich lief er jeden Tag zehn Kilometer über

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