Söhne der Erde 05 - Flucht in die Sonnenstadt
Nischen, hinter einer wirren Geröll-Barriere.
Menschen in dünnen, zerfetzten Kleidern, abgemagert, mit langen, verfilzten Haaren, fiebrigen Augen, von der Sonne gegerbten Gesichtern. Menschen mit Knüppeln in den Fäusten, verbogenen Metallteilen, Steinen und langen Lederpeitschen. Mindestens zwei Dutzend waren es, und sie standen stumm und drohend da wie eine lebendige Mauer.
Ureinwohner?
Vergessene Überbleibsel der alten Marsstämme?
Jarlon wußte es nicht. Im Moment war es ihm auch gleich.
Er sah den dumpfen, brütenden Haß in den Augen der Fremden - und er sah vor allem, daß mindestens zwei von ihnen verstaubte Waffen trugen, die fatale Ähnlichkeit mit den marsianischen Lasergewehren hatten...
*
Sie waren in der Pilotenkanzel versammelt: Charru und Gerinth, dazu die fünf, die nun schon seit Stunden unermüdlich Schaltpläne, Anweisungen und Instrumente studierten.
Camelo lehnte an, dem flachen weißen Andruck-Sitz und dokumentierte, daß er es endgültig satt hatte, als Schwerverletzter behandelt zu werden. Ayno sah schlimm aus mit seinem zerschundenen Rücken und jetzt auch noch dem Verband um die Rippen, aber seine Augen leuchteten. Beryl von Schun saß an einem Schaltpult und bediente Tasten, Hasco und Brass sahen genau wie Charru und Gerinth gespannt zu.
Über den Bildschirm, dem ihre Aufmerksamkeit galt, liefen flimmernde Streifen.
»Jetzt!« sagte Beryl triumphierend. Er wußte nicht, welches technische Wunder dahintersteckte; für ihn glich es immer noch als Zauberei, Bilder aus der Vergangenheit zurückzuholen -aber er wußte, wie es gemacht wurde.
Auf dem Monitor verwandelte sich das Geflimmer in das Abbild eines Raums mit grauen Schaltpulten, fremdartigen Apparaten und zahllosen Instrumenten.
Deutlich waren Lichtbahnen zu erkennen, die durch zwei schmale Sichtfenster fielen. Ein paarmal zeichneten sich huschende Schatten ab, einziger Beweis dafür, daß der Schirm kein feststehendes Bild, sondern wirklich einen Zeitablauf zeigte. Vier, fünf Sekunden verstrichen - dann schob sich eine schlanke, hochgewachsene Gestalt in den Bereich des Monitors.
Helder Kerr!
Camelo sog scharf die Luft durch die Zähne, als ihnen der Marsianer einen Augenblick lang sein blasses, angespanntes Gesicht zuwandte. Kurz blieb er stehen, trat dann an eins der grauen Pulte heran. Mit überraschender Schnelligkeit bediente er Tasten, und sein Blick wanderte dabei über verschiedene kleine Glasscheiben, hinter denen Zeiger tanzten und Zahlen aufleuchteten.
»Er kontrolliert, ob die Waffen noch funktionieren«, sagte Beryl durch die Zähne.
Charru nickte.
Im nächsten Moment funkelten seine Augen auf, denn sogar im Halbprofil war zu erkennen, daß Kerr erschrocken schluckte. Er mußte festgestellt haben, daß die Energiewerfer der »Terra I« in der Tat noch funktionierten. Und die Art, wie er auf der Unterlippe herumkaute, verriet deutlich, daß er angestrengt überlegte, was er unternehmen sollte.
Jetzt berührte er zwei Kontakte und löste die Abdeckplatte von dem Schaltpult, das er eben bedient hatte.
Seine Hände tauchten ins Innere des Apparates. Sie bewegten sich schnell und geschickt. Auf dem Monitor ließ sich jede dieser Bewegungen deutlich beobachten - so deutlich, daß es eigentlich nur eine Frage von Konzentration und scharfem Hinsehen sein konnte, die Vorgänge wieder umzukehren.
Zwei Minuten später zeigte der Bildschirm, wie Helder Kerr die Waffe auf der Ablage neben einem der Sitze entdeckte.
Er nahm sie in die Hand, schüttelte den Kopf, lächelte, begann schließlich, das Metallding näher zu untersuchen und mit einem schmalen, spitzen Gegenstand zu bearbeiten, den er aus der Tasche zog. Dann schob er die Waffe in den Gürtel. Eine Waffe, die er offenbar kannte, die auf den ersten Blick ganz harmlos aussah und die doch Ayno fast das Leben gekostet hätte.
Mit einem zufriedenen Ausdruck in den Augen verließ der Marsianer den Bereich des Monitors.
»Dreckskerl!« knurrte Hasco erbittert.
Charru warf ihm einen Blick zu und lächelte flüchtig.
»Er ist Marsianer und hat das Recht, für seine Seite zu kämpfen«, stellte er fest. »Ich hoffe nur, daß er seinen Kopf umsonst riskiert hat. Und jetzt sollten wir uns beeilen...«
VII.
Die Worte sickerten wie aus weiter Ferne in Helder Kerrs Bewußtsein.
»...unglaubliches Glück gehabt...Prellungen...Hautabschürfungen...eine Gehirnerschütterung vielleicht, falls nicht nur der Schock für die Bewußtlosigkeit verantwortlich
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