Söhne der Erde 12 - Inferno Erde
hätte auch er selbst oder jeder andere Tiefland-Krieger notfalls sein Leben riskiert. Aber es war Lara, die ihr Leben aufs Spiel setzte. Lara, die er liebte, die ihm alles bedeutete - und die in dieser Situation doch nicht mehr für ihn sein durfte als irgendein anderer.
»Schließ das Tor«, sagte sie tonlos. »Ich werde zurückkommen, sobald ich weiß, daß keine Gefahr besteht.«
Er wußte, daß er keine Wahl hatte.
Und zugleich wußte er, daß er sich die Entscheidung dieses Augenblicks vielleicht sein ganzes Leben lang nicht verzeihen würde.
Mit einer knappen Geste nickte er Hunon zu. Lara war in den Schatten der Höhle zurückgewichen. Der Hüne von den alten Marsstämmen holte tief und rasselnd Atem. Sein Gesicht unter dem staubfarbenen Haar, das so sehr an die Wüsten des roten Planeten erinnerte, verriet nicht, was er dachte.
Knirschend schwang das Tor zu. Charru hatte sich abgewandt. Mit einem Schritt stand Brass neben ihm und legte ihm die Hand auf die Schulter.
»Charru! Bist du sicher, daß das richtig war? Noch kannst du ...«
»Sie weiß, was sie tut«, kam es gepreßt.
»Bist du wirklich sicher? Meinst du nicht, wir könnten riskieren ...«
Charru wirbelte herum.
Seine Schultern bebten. Die saphirfarbenen Augen flackerten.
»Was riskieren?« stieß er hervor. »Daß unser Volk von einer rätselhaften Seuche angesteckt wird? Daß vielleicht die ganze Erde dieser Seuche zum Opfer fällt? Sie hat recht, Brass. Ich wünschte mir nichts mehr, als daß es anders wäre, aber ich weiß, daß sie recht hat.«
»Wenn du glaubst ...«, murmelte Brass.
Seine Stimme klang unsicher, zweifelnd. Charru konnte diese Zweifel nur zu gut verstehen.
Er wußte, daß Laras Entscheidung richtig war. Aber das änderte nichts daran, daß er es nicht fertigbrachte, den möglichen Konsequenzen dieser Entscheidung ins Gesicht zu sehen, und daß er sich wünschte, ein anderer als er habe sie treffen müssen.
Mit einem tiefen Atemzug straffte er die Schultern.
»Wir ziehen uns zum Beiboot zurück«, sagte er rauh.
Aber dabei mußte er gegen das Gefühl ankämpfen, als habe er eine tödliche Waffe auf sich selbst gerichtet.
*
Lara blieb einen Augenblick reglos stehen, als das schwere Tor hinter ihr ins Schloß gefallen war.
Bisher hatte sie sich beherrscht, jetzt kostete es sie Mühe, das Zittern zu unterdrücken. Die Angst, die sie empfand, wurzelte tief in einer Zivilisation, in der es auch auf medizinischem Gebiet kaum noch Unbekanntes gab und die fast alle Krankheiten besiegt hatte. Flüchtig zuckte Lara zusammen, als sie die leblose grüne Kreatur am Boden entdeckte. Die beiden Fremden lehnten schlaff an der Wand, mit grau verfärbter Haut, ohne daß man hätte sagen können, ob sie bei Bewußtsein waren. Die junge Venusierin biß sich auf die Lippen. Mit einem Schritt stand sie neben Kormak und beugte sich über ihn.
Der Nordmann glühte vor Fieber.
Sein Blick schien von weither zurückzukommen. Die grauen Augen glänzten unnatürlich, die Stimme klang schwach.
»Lara?«
»Alles in Ordnung. Wie fühlst du dich?«
»Ich ... ich weiß nicht, was mit mir los ist. Es kam ganz plötzlich ... Aber was machst du hier?«
»Du bist krank. Die beiden Goldenen ebenfalls. Ich will herausfinden, was euch fehlt.«
Kormak zog die Brauen zusammen.
Seine Gedanken waren noch klar genug, um ihm zu sagen, daß es nicht so einfach sein konnte. Stumm sah er zu, wie Lara ihre Tasche öffnete, Reagenzgläser, Klein-Mikroskop und Ampullen mit Nährflüssigkeit ausbreitete. Schließlich holte er tief und rasselnd Atem.
»Die Höhlenbewohner!« krächzte er. »Sie sind alle krank, nicht wahr? Sie leben eingesperrt unter der Erde, weil sie sonst etwas ... etwas Tödliches verbreiten würden. Ist es das?«
»So ähnlich.« Lara preßte die Lippen zusammen. Sie wußte, daß sie der Frage nicht ausweichen konnte. »Sie sind nicht selbst krank. Ich nehme an, daß sie Träger irgendeines Erregers sind, der ihnen nicht schadet, jedoch für das Volk der Waldbewohner absolut tödlich ist. Aber das muß nicht heißen, daß er auch uns gefährlich werden kann. Oder anderen Erdenmenschen.«
Kormak schluckte. Sein ohnehin schon fahles Gesicht wurde noch um einen Schein blasser.
»Und du?« stieß er hervor. »Wie konntest du hierherkommen? Wie konntest du dieses verdammte Tor noch einmal öffnen, nachdem du das wußtest? Charru wird ...«
»Er weiß, daß ich hier bin. Wir müssen wissen, was es ist, Kormak. Vor allem, auf welche
Weitere Kostenlose Bücher