Söhne der Erde 20 - Durch die Hölle
einmal die Richtigkeit der Meßdaten zu überprüfen. Die beiden kamen Minuten später zurück und gaben damit den anderen das Startzeichen: David Jorden in der hellblauen Tracht der Universität Jupiter City und einem älteren Professor im mattroten Trikot der Universität Kadnos.
David blieb stehen, als er das heiße, trockene Pulsieren der Luft spürte.
Die Hitze wirkte wie ein Hammerschlag. Auch auf dem Mars war es heiß außerhalb der klimatisierten Städte - der junge Wissenschaftler wußte es aus Erfahrung. Aber hier herrschte die Hölle. Flimmernde Schleier lagen über der fahlweißen Ebene. Die Sonne schien am Himmel auseinanderzufließen wie weißglühendes Metall. Kohlendioxyd ... Ein wahrhaft tödlicher Ring, der sich in der Atmosphäre ausgebreitet hatte und Terra in ein gigantisches Treibhaus verwandelte.
Der Himmel bewahre die Jupiter-Monde, dachte David Jorden sarkastisch. Sein Blick wanderte dorthin, wo er jenseits der alles verschlingenden Hitzeschleier die tote Stadt wußte. Er fand es beruhigend, daß dort ohnehin nichts lebte außer primitiven Halbmenschen und ein paar barbarischen Priestern.
*
Merkuria ...
Keine weiße, schimmernde Marsianer-Siedlung, sondern eine Ansammlung grauer Klötze aus dem Material, das auch die Terraner inzwischen als sogenannten »Einheits-Baustoff« kannten. Merkuria war eine Pionier-Stadt gewesen. Inzwischen arbeitete das kleine Wind- und Sonnenkraftwerk wieder, lieferte Energie, und zumindest ein Teil der Häuser war so gut klimatisiert, daß man die eisige Planetennacht vergessen konnte.
Indred, ihre Helferinnen und Jordis mit dem neugeborenen Kind hatten sich in dem kleinen Klinik-Trakt eingerichtet, der für sie ein perfektes Wunder darstellte, obwohl er seit zwanzig Jahren veraltet war.
Leifs Augen wirkten leicht glasig, woraus Charru schloß, daß Indred trotz aller gegenteiligen Versicherungen immer noch irgendwo einen kleinen Vorrat von Beerenschnaps für Notfälle aufbewahrte. Ein Mann, dessen erstes Kind unprogrammgemäß in einem Raumschiff das Licht der Welt erblickt hatte, war zweifellos ein Notfall. Aber nicht nur Leif fühlte das Bedürfnis, die glückliche Ankunft der kleinen Soli angemessen zu feiern, und auf Indreds sorgsam gehütetes Gebräu waren sie heute nicht angewiesen.
Die Merkur-Siedler konnten Alkohol einfacher und in größeren Mengen herstellen und fanden nichts dabei, ihn des besonderen Anlasses wegen, in größeren Mengen zu konsumieren.
Mark Nord nippte nur an seinem Glas.
Er hatte sich verändert, stellte Charru fest. Aus dem abgemagerten, blassen Zwangsarbeiter war ein sehniger, sonnengebräunter Mann voll unbezähmbarer Kraft geworden. Seine braunen, grünlich gesprenkelten Augen - Laras Augen - funkelten verhalten.
»Laß sie trinken und sich freuen«, sagte er. »Es ist unser Traum, Charru! Ich weiß nicht, ob du je wirklich begriffen hast, was euer Entschluß für uns bedeutet. All deine Bedenken, die Befürchtungen, daß du uns in Gefahr bringst - das mag stimmen, aber es spielt keine Rolle. Wir wollen, daß der Merkur lebt. Wenn ihr nicht gekommen wäret, hätten wir eines Tages zur Erde fliegen müssen, so oder so. Eines nicht zu fernen Tages, da die meisten von uns nicht mehr viel Zeit haben.«
»Bist du sicher?«
»Ganz sicher.« Mark lächelte und ließ den Blick über die grauen Wände des Versammlungsraums schweifen. »Wahrscheinlich kannst du das nicht verstehen. Ihr seid keine kleine Gruppe, sondern ein Volk. Wir sind nichts weiter als knapp fünfzig Männer, und wir hätten nicht so sehr um den Merkur gekämpft, nur um hier den Rest unseres Lebens zu verbringen. Wir wollen etwas Dauerhaftes, Charru ...«
Er zögerte und preßte flüchtig die Lippen zusammen. »Wie wird es sein, wenn ihr hier lebt?« fragte er. »Werdet ihr euch abschotten gegen alles Fremde, weil ihr es für feindlich haltet?«
»Ihr seid nicht unsere Feinde.«
»Aber wir sind euch fremd. Und ich möchte nicht, daß ihr davon ausgeht, der Merkur gehöre uns. Merkur ist frei. Er kann nicht frei sein, wenn er nicht zugleich offen ist, und er kann nicht leben ohne ein Volk.«
Charru nickte. »Ja, ich verstehe.«
»Und was sagst du dazu?«
»Was soll ausgerechnet ich dazu sagen? Meine Frau ist die Tochter deines Bruders, Mark. Mein Sohn ist mit deinen Leuten verwandt. Und davon abgesehen - sind wir nicht schon deshalb aneinander gebunden, weil wir den gleichen Kampf kämpfen?«
Mark lächelte.
»Den gleichen Kampf«, wiederholte er.
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