Söhne der Erde 20 - Durch die Hölle
hätte durchschauen müssen, was die Marsianer wirklich wollten. Wir hätten vielleicht eine Chance gehabt, Coradi mit Betäubungswaffen zu überwältigen oder ...«
»Nein«, sagte Camelo entschieden. »Wenn es sich so abgespielt hat, wie du uns erzählt hast, war es dazu viel zu spät, schon wegen der Schockstrahler des Bootes. Es war Laras Fehler.« Er wandte den Kopf und sah Charru durchdringend an, als warte er auf Widerspruch. »Sie hätte sofort Alarm geben müssen. Aber das brachte sie aus Angst um das Kind nicht fertig - das hätte wahrscheinlich auch niemand anders fertiggebracht. Und Coradi wußte es! Er hat ihre Gefühle genauso kaltblütig benutzt, wie er Irnets Mitleid ausnutzte.«
»Ja, sicher«, sagte Charru müde.
»Und jetzt?« fragte Dane Farr. »Wir haben das marsianische Schiff geortet, aber das bringt uns nicht weiter, oder?«
Karsteins Zähne knirschten. »Warum greifen wir die verdammten Hunde nicht mit der »Solaris« an und ...«
»Und wen wollen Sie damit retten?« fragte Farr nüchtern. »Wir wissen vorerst nur, daß es sich um ein großes Schiff handelt, mehr nicht. Man kann nicht mit einem mittelmäßig armierten Aufklärer blind gegen einen unbekannten Gegner losschlagen.«
»Wir können überhaupt nicht losschlagen«, stellte Gillon fest. »Wir können höchstens drohen oder verhandeln. Schließlich wollen wir Lara und die anderen da herausholen und nicht umbringen.«
Sekundenlang blieb es still.
Charru hatte die ganze Zeit über zu der hochragenden Luna-Fähre hinübergestarrt, als müsse sich sein Blick irgendwo festklammern. Es fiel ihm schwer, seine Stimme zu beherrschen.
»Wieviele von uns können sofort mit der »Freier Merkur« starten?« fragte er knapp.
»Alle«, sagte der junge Mikael. »Jedenfalls, wenn wir etwas quetschen und ein paar von den Andruckliegen für je zwei Kinder umbauen.«
»Gut! Dane, könnten Sie und Ihre Leute vorher versuchen, die Beiboote wieder flott zu machen - nur für alle Fälle?«
»Sicher«, sagte Farr gedehnt. »Aber wenn Sie hier noch etwas unternehmen wollen, werde ich doch ohnehin als Pilot zurückbleiben und ...«
Charru schüttelte den Kopf. »Nein, Dane, ich will nicht, daß Sie da hineingezogen werden. Camelo, Beryl und ich haben die »Solaris« schon einmal gestartet, wir schaffen es auch ein zweitesmal. Alle anderen gehen an Bord der Fähre und ...«
»Das glaubst du doch selbst nicht«, sagte Gillon mit hochgezogenen Brauen.
»Verdammt, ich ...«
»Denk nach!« Gillons grüne Augen hatten sich zu Schlitzen verengt. »Du willst ein Beiboot nehmen, nicht wahr? Das heißt, daß Camelo und Beryl in der »Solaris« zurückbleiben müssen, um den Marsianern notfalls ein bißchen Dampf zu machen. Karstein und ich kommen mit, um dir den Rücken zu decken. So muß das jedenfalls laufen, wenn du auch nur die leiseste Chance haben willst.«
Charru überlegte einen Augenblick, dann nickte er.
»Einverstanden«, sagte er rauh. »Die Fähre startet sofort, und wir brechen auf, sobald sie sicher auf dem Weg ist.«
*
Lara war wie betäubt, als das Beiboot in einiger Entfernung von der großen »Urania« in der Wüste landete.
Unterwegs hatte sie genug damit zu tun gehabt, das Kind zu beruhigen, das Furcht, Unruhe und Spannung der Atmosphäre wie ein Seismograph spürte. Jetzt schlief der Kleine in ihren Armen. Die Gesichter der Marsianer spiegelten freudige Erregung. Jon Erec verhielt sich still wie immer, Irnet war in einem Zustand apathischer Trostlosigkeit versunken. Lara kämpfte gegen das verzweifelte Wissen, daß es keine Hoffnung mehr gab. Ganz gleich, was geschah, ganz gleich, was sie tat - auf keinen Fall würde sie eine Chance bekommen, zum Merkur zu gelangen. Alle würden sich einig darüber sein, sogar ihr Vater, und alle felsenfest davon überzeugt, selbstverständlich nur zu Laras Bestem zu handeln. Bitterkeit und Schmerz überfluteten sie. Und eine kalte, herzbeklemmende Angst vor dem, was sie erwartete, vor dem Leben, das sie sich nicht mehr vorstellen und das sie nicht mehr ertragen konnte, nachdem sie gelernt hatte, was Leben wirklich war.
John Coradis Blick ließ sie den Kopf heben.
Als sie ihn ansah, überzog sich sein schmales Gesicht mit einem Anflug von Blässe. Schweigend wies er auf die offene Luke, durch die der bittere, eigentümlich belebende Geruch des Wüstenstaubes hereindrang. Lara stand auf und straffte den Rücken.
Irnet begann wieder zu schluchzen, als sie aus dem Boot geschoben wurde.
Auch
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