Söhne der Luna 2 - Die Braut des Wolfes
besser für dich.“
„Ich bin kein Püppchen!“, herrschte sie Pico an und zog den Kopf zurück.
Ein entschiedener Wink von dem Betawolf, und das Rudel zog einen engen Kreis um sie, keilte sie ein und schob sie vorwärts. Sie konnte schreien, treten und um sich schlagen, sie gaben sie nicht frei und bugsierten sie voran.
„Ihr hört auf einen Vampir! Auf mich solltet ihr hören! Ich weiß, was ich mir zumuten kann! Lasst mich los! Aua! Lasst mich!“
All ihre Gegenwehr nützte nichts. Sie schrie sich heiser, ihr Hals brannte und letztendlich gelangte sie dorthin, wo sie nicht hinwollte, in das dunkle Gelass, dessen Riegel sie geöffnet hatte. Nur darum hatten sie alle überlebt. Nur dank Ruben, aber daran dachte außer ihr niemand. Die Tür schlug zu, die Riegel knirschten und sie stand im Dunkeln. Luft zog durch die Schlitze in der Außenwand und streifte über ihre bestrumpften Füße. Kälte, aber kein Licht. Sie tastete sich an der Wand entlang zu der provisorischen Lagerstatt. Der Geruch von Holz und Harz umfing sie, löste einen Schub bitterer Verzweiflung aus. Aufschluchzend fiel sie hinein in den Wust aus Kissen und Decken.
Das Stechen in ihrer Brust nahm zu, bis es ihren ganzen Leib ergriff. Nun kannte sie das Geheimnis des Vollmondes, wusste, weshalb Ruben sich hatte einsperren lassen und wozu er das Opium brauchte. Die ganze Zeit über hatte er die Last des Fluchs, der auf ihm lastete, vor ihr verheimlicht. Wie einsam musste er sich gefühlt haben, so nah bei ihr und doch allein mit seiner größten Sorge. Er, ihre Ergänzung, hatte gefürchtet, sie würde sich von ihm abwenden, sobald er sich offenbarte. Ihren Schwur hatte er nie wirklich ernst genommen. Sie drückte das Gesicht in ein Kissen, atmete seinen Duft ein und weinte um ihn. Nichts hatte er begriffen. Sie war eine Strega. Sie gehörte zu denjenigen, die solche Flüche wanden und um andere legten. Magie konnte noch so schwarz sein, ihre Kunst flößte einer Strega niemals Furcht ein. Und das, was sie heute Nacht gesehen hatte, gehörte zu den höchsten Künsten.
Die Chroniken der Werwölfe hatten es verklärt und ihre Entstehung stilisiert. Dabei war es ein magisches Ritual gewesen, das war ihr nun klar. Irgendwann in ferner Vergangenheit musste ein Krieger im Wolfspelz auf eine Strega getroffen sein, vielleicht sogar auf eine ganze Hexengilde. Und ein Pakt war geschlossen worden. Ein Frevel gegen die allgewaltige Mutter Erde, denn diese hatte Rache geübt und aus den Werwölfen Bestien gemacht, gemeinsam mit ihrem Verbündeten, dem Mond. Jede Magie hatte einen Preis, und je stärker und länger sie wirkte, desto höher fiel er aus. Ihr war es nicht möglich, diesen alten Fluch aufzuheben, aber ihn lindern, das konnte sie. Sie rieb über ihre Augen und drehte sich auf den Rücken.
„Komm zurück zu mir, Ruben“, wisperte sie in die Dunkelheit.
Über die langen Stunden im Gelass wiederholte sie es, bis es zu einem Gebet wurde.
„Das ist also das Fazit“, stellte Berenike fest. Sie klang dumpf, da sie den Kragen ihres Umhangs hochgeschlagen und das Kinn darin vergraben hatte. „Ein Bündnis mit diesem … Etwas kratzt nicht an eurer Ehre. Was ich hier vor mir sehe, ist nicht einmal mehr ein Gegner, sondern ein Vieh aus Unrat und Gestank. Daraus kommen sie, dazu werden sie, wenn alles andere von ihnen abfällt. Verbündete sehen nicht so aus. Nicht einmal ein uns würdiger Feind sollte so aussehen.“
Mica schob den Fuß vor und verhinderte, dass Berenike dem am Boden Liegenden einen Tritt in die Rippen versetzte. Selene hatte sich an seiner Suche nach Ruben nicht beteiligen wollen. An ihrer Stelle hatte sich ihm seine Schwester angeschlossen. Weniger aus Hilfsbereitschaft, denn in der Hoffnung, ihre Armbrust einsetzen zu dürfen. Schließlich war es eines, einen Silberpfeil auf einen potenziellen Verbündeten abzuschießen und etwas anderes, die Welt vor einer mordenden Bestie zu retten. Auf ihrer Suche waren sie jedoch nirgends auf ein Gemetzel oder auf eine andere Spur gestoßen, die ihnen verriet, wohin Ruben sich gewandt hatte.
Erst im dunklen Blau der letzten Nachtstunde hatten sie ihn gefunden. In einem Viertel, dessen Häuser bis zu acht Stockwerke aufragten. Nebel war aus dem Tiber aufgestiegen, hatte seine Schwaden weit in die Gassen und Straßen Roms gestreckt und Feuchtigkeit wie Kälte hielten die Sterblichen in den Häusern. An diesem Nebel lag es, dass sie beinahe achtlos an ihm vorbeigegangen wären, denn der
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