Söhne der Luna 2 - Die Braut des Wolfes
Bestie überleben.“
„Mir ist noch kein Werwolf untergekommen, der zum Philosophen taugt. Auch du bist keine Ausnahme.“ Während er schneller wurde, fiel ihm ein, dass er den Palazzo von Tizzio di Mannero zwar vor Tagesanbruch erreichen konnte, dort aber festsitzen würde bis zum Abend. Inmitten eines bissigen Rudels müsste er ausharren. Zwar hatte er Seite an Seite mit ihnen gekämpft, verließ sich aber nicht auf ihr Erinnerungsvermögen. Das Gedächtnis von gebissenen Wölfen war nicht sehr zuverlässig. Sie mussten ihn lediglich dem Tageslicht aussetzen und warten, bis er einschlief, um ihn in Stücke zu reißen. Unangenehm. Sollte der Friede jemals zustande kommen, hatte er ihn sich teuer erkauft.
Ruben beugte den Kopf zur Seite, bot Mica seine Halsschlagader dar. Der Vampir hatte es darauf abgesehen, seitdem sie sich begegnet waren. Jetzt war er bereit, ihm sein Blut zu geben. Sein Biss sollte allem ein Ende machen. Unter ihm zog das Straßenpflaster in hoher Geschwindigkeit dahin. In den feuchten, dunklen Steinen spiegelte sich die Bestie. Ein Kaleidoskop aus Erinnerungssplittern. Nebelschluchten. Mondlicht. Ein Tosen in seinen Adern. Ein Reißen in den Eingeweiden. Immer wieder hatte es die Bestie zu Boden geschleudert. Immer wieder war sie aufgesprungen und weitergehetzt, bis die Krämpfe zu stark wurden. Harte Krallen auf hartem Pflaster. Ein erbitterter Widerstand gegen den nahen Tod. Die Bestie war stark, sie hatte obsiegt und war nicht erloschen. Jetzt lauerte sie auf die nächste Gelegenheit, ihn zu überwältigen und leckte ihre Wunden.
„Beiß zu.“
Seine Stimme klang fremd in seinen Ohren, war zu einem leisen Raspeln verkommen, das in seinem Hals kratzte, doch Mica verstand ihn sehr wohl. Der Vampir grunzte lediglich und hastete weiter. Seine Schritte begannen zu knirschen, er bemühte sich nicht mehr um einen leichten, geräuschlosen Tritt, rannte, so schnell er es mit seiner Last vermochte, auf sein Ziel zu. Der Palazzo von Tizzio lag vor ihnen, ein helles Gebäude, dessen Ornamente in einen Hauch von Morgenröte getaucht wurden. Ruben verkrallte sich in ein weißes Jabot und riss daran. Kurz ruckte Micas Kopf nach vorne, die Spitzen seines Jabots gaben nach.
„Verdammt, du wolltest es die ganze Zeit über. Beiß zu und töte mich.“
Das erste Tageslicht zeigte Wirkung. Mica stolperte und fing sich wieder. Er zog die Lippen zurück und zeigte seine Fänge. Sein Goldhaar leuchtete auf, ein Heiligenschein unter dem ersten fahlen Sonnenstrahl. Er dachte nicht ans Zubeißen. All sein Trachten richtete sich auf die nahe Deckung, auf den Schutz eines Hauses, bevor der Morgen ihn einholte und ihm seine vampirischen Kräfte raubte.
„Mica!“
„Halt den Mund, Garou.“
Ruben wollte nicht zurück. Die Bestie war aus dem Gelass entkommen und würde es wieder versuchen. Sie hatte sich gegen das Opium durchgesetzt, die Riegel hatten nicht standgehalten. Details entzogen sich seinem Gedächtnis, es reduzierte sich auf einen Fakt. Die Bestie war ausgebrochen. Er war dem Lockruf des Vollmondes erlegen und alles war außer Kontrolle geraten. Wie viele Menschen hatte er auf seiner Jagd durch die Nacht gerissen? Wie viele waren seinetwegen gestorben? Der schmerzhafte Druck in seinem Magen gab Antwort darauf. Es mussten etliche gewesen sein, deren Blut die Bestie getrunken, an deren Fleisch sie sich gesättigt hatte. Es war ein Mal geschehen, es würde wieder geschehen. Es gab kein Gefängnis, das ihn aufhalten konnte. Alba hatte sich auch von nichts aufhalten lassen, und er war wie sie. In wenigen Stunden würde er erneut zu einer Gefahr werden.
Er nutzte ein Straucheln des Vampirs über flache Stufen, drehte und wand sich und glitt aus dem samtenen Umhang heraus. Die Schmiere auf seinem Körper war so dick, dass er die Stufen hinabrutschte. Auf der Seite blieb er liegen, konnte an den Stufen entlang ein offenes Portal sehen. Fort! Er musste so schnell wie irgend möglich fort von hier.
Mica ließ ihn liegen und schleppte sich mit schweren Schritten in das Innere des Hauses. Ruben rappelte sich auf Hände und Knie auf. Auf keinen Fall konnte er hierbleiben. Aurora. Hölle, sie war bereits bei ihm, kniete sich hin. Ein blassrosa Rock breitete sich vor ihm aus. Er kippte hinein. Kühler Stoff an seiner Wange und der Saharawind ihrer Stimme streichelten über seineHaut.
„Du bist zurück. Du bist hier bei mir. Alles wird gut.“
Nichts würde jemals gut werden. Das wusste er schon seit
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