Söhne der Luna 2 - Die Braut des Wolfes
Menschen. Karikaturen mit abgehackten Bewegungen. Aurora sah es nur ganz kurz, denn Mica riss sie herum und zog sie zurück in den weiten Gang. Wieder rannten sie. Und kamen nicht weit.
Mica keuchte auf. „Hölle und Verdammnis!“
„Was ist das?“
Ihr Schreckensschrei ertrank in einem Brüllen. Am Ende des Ganges versperrte ihnen eine Kreatur den Weg, in Mondlicht gebadet, das durch die großen Fenster in ihrem Rücken fiel. Ein monströses Wesen aus einem Albtraum streckte seine spitze Schnauze vor. Augen glommen aus der Dunkelheit. Das Ungeheuer riss das Maul auf, zeigte scharfe Zähne und Fänge, die größer waren als alles, was Aurora je gesehen hatte. Ehe sie dieses Bild verinnerlichen konnte, wirbelte Mica sie abermals herum und rannte zurück. Sie verlor ihre Pantoffeln, schlitterte auf Strümpfen über den glatten Marmor und merkte, dass ihre Knie nachgeben wollten. Vor ihnen blockierten die Larvae die Flucht durch das Portal, Abzweigungen gab es nicht, und hinter ihnen preschte ein Koloss heran.
Wohin?“, rief sie und krallte sich an Micas Hand.
„Der Kronleuchter!“
Der was? Welcher Kronleuchter? Mica umfasste sie und hob ab. Sie flogen durch die Luft. Ihre Röcke wogten, kalte Luft an ihren Beinen, etwas Hartes, um das er ihre Hände legte, unangenehme Spitzen unter ihrem Hinterteil.
„Festhalten!“
Gute Idee. Sie war auf einer klirrenden Schaukel und riss die Augen auf. Hexendreck! Sie saß im Kronleuchter über der Eingangshalle. Mica landete soeben leichtfüßig in dem Inferno aus Wölfen und Larvae. Die Tiefe, in die er gesprungen war, löste Schwindel aus. Sie umklammerte die massive Stange, die den Leuchter in der Decke verankerte. Solange die Larvae sie nicht entdeckten, war sie in Sicherheit. Jedenfalls soweit ein schwankender Kronleuchter Sicherheit bieten konnte.
Weit unter ihr wirbelte Mica zwei Fackeln um sich, hielt die Larvae auf Abstand und sammelte das Rudel um sich. Die Wölfe waren dankbar um jeden, der ihnen sagte, was zu tun war, gleichgültig ob Leitwolf oder Vampir. Bis zu den Knöcheln versanken sie in Asche, und diese bewegte sich in Wellen. Motten flogen auf, immer neue Schemen entstanden. Die Kämpfenden waren umzingelt. Ein aussichtsloser Kampf war es, in den ein Sturm hineinröhrte.
Aurora zuckte zusammen. Ihr Mund klappte auf, schreien konnte sie nicht. Die Präsenz aus schwarzer Magie hatte Gestalt angenommen. Nicht weit von ihr entfernt, nahe der Balustrade, stand ein Wolf und doch kein Wolf, denn ihm fehlten die typischen Wolfsohren. Als er den Kopf schwenkte, erkannte sie weiße Augen und rote Adern darin. Sie richteten sich auf sie. In einem weiteren Schrei entlud das Ungetüm seine Raserei. Sie glaubte, seinen Atem zu spüren. Glut in ihrem Gesicht. Die Kristalle des Leuchters gerieten in Schwingung, schlugen in einer schrägen Dissonanz heller Töne aneinander.
Sollte dieser gewaltige Dämon auf sie zuspringen, würden sie mitsamt dem Kronleuchter in die Tiefe stürzen. Mach es nicht, mach es nicht, betete sie eine stumme Litanei herunter. Er warf den Kopf herum, sprang die Treppe hinab und warf sich in die Hölle, zu der er gehören musste. Das Rudel stob schreiend auseinander, als er über es hineinbrach. Mica presste sich an die Wand, einige Wölfe dicht bei ihm. Die anderen rannten aus dem Portal, versteckten sich in den umliegenden Zimmern, einige wenige polterten die Treppe hinauf und verschwanden im Gang. Jeder Fluchtweg war ihnen willkommen. Das Wolfsungetümwar auf sich gestellt, befand sich in einem Schwarm herumwirbelnder Motten. Der lange Schweif peitschte sie auseinander. Auf dem Rücken sträubte sich schwarzes Fell, durchzogen von einem Längsstreifen aus borstigem Rot.
„Ruben?“
Feucht rutschten ihre Hände über die Metallstange. Sie drohte, überzukippen, und hielt sich hastig fest. Der Leuchter schaukelte und wippte. Zwischen den klirrenden Kristallen, durch die sie nach unten blickte, war Ruben. Er musste es sein. Es gab wohl kaum einen Zweiten im Haus mit schwarzem Haar und roten Strähnen. Sein Maul schnappte auf und zu. Mit jedem Biss verschwanden Motten und Larvae in seinem Rachen. Er saugte sie regelrecht auf. Wild tobte er durch die Halle, zerteilte den großen Schwarm in viele kleine, verschlang sie und schüttelte Asche und Motten aus seinem Fell. Knurren und Schmatzen drangen zu Aurora herauf. Der Schwarm konnte sich nicht neu formieren. Er wurde kleiner, und die Asche am Boden blieb einzig durch die großen Pranken
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