Söhne der Luna 2 - Die Braut des Wolfes
Leibesmitte.
„Geh!“
„Nein, ich werde dich niemals …“
Er warf sich herum, über die andere Seite des Zubers. Im hohen Bogen übergab er sich. Ein schwarzer Schwall schoss aus seinem Mund und klatschte auf die Fliesen. Der nächste Schwall folgte sofort. Sein Rückgrat trat scharf hervor, sein Rücken arbeitete und krampfte. Das hatte sie mit ihrer Weigerung nicht herausfordern wollen. Ungeachtet seiner abwehrenden Geste eilte sie um den Zuber herum und raffte sein Haar im Nacken. Schwall um Schwall würgte er hervor. Ein schwarzer Brei, aus dem sich Rinnsale lösten, die sich in den Ritzen der Fliesen ausbreiteten. Auf seinem Rücken bildete sich Schweiß. Trotz des warmen Wassers, in dem er kniete, wurde seine Haut kalt. In Krämpfen erbrach er sich, als wollte er sein Inneres nach außen kehren. Fäulnis stieg auf. Es hörte nicht auf. Panik ergriff sie. Sie war keine Heilerin. Außer ihn festhalten und verhindern, dass er auseinanderbrach, konnte sie nichts ausrichten.
„Mica!“
Er war bereits bei ihr, drückte ein Tuch gegen Mund und Nase, über dem seine Augen funkelten. Seine Erschöpfung war verflogen. In all dem Würgen und Stöhnen hielt seine Kaltblütigkeit sie aufrecht.
„Du hast ein hübsches Schauspiel geboten“, meinte er. „Ich fühle mich schon etwas wacher.“
„Was ist mit ihm? Wir müssen etwas unternehmen!“
„Es stinkt bestialisch. Nicht einmal die Bestie kann die Larvae verdauen, und sie hat einige von ihnen verschluckt. Gut, dass er sie loswird.“ Mica inspizierte eingehend den Brei. „Nichts bewegt sich. Das zeigt, dass sie vernichtet werden können.“
Ein letzter Schwall aus schwarzer Flüssigkeit ergoss sich auf den Boden. Mit einem trockenen Würgen sank Ruben zurück. Sein Gesicht war von einer Patina aus Schweiß überzogen. Heftig wischte er sich über den Mund, hustete, würgte abermals und wollte Wasser schöpfen, direkt aus dem Zuber. Aurora drückte seine Hände hinab.
„Warte, ich hol dir frisches Wasser und Wein. Ich bin gleich zurück.“
Seine Lippen bewegten sich, ohne dass ein Ton herauskam. Sie hastete ins Nebenzimmer, holte die Wasserkaraffe und eine Weinflasche. Als sie zurückkehrte, hatte Mica ihn aus dem Zuber ins Bett bugsiert. Ruben entriss ihr die Flasche und setzte sie an. Ein rotes Rinnsal floss in seine Bartstoppeln. Er trank und würgte und trank gierig weiter.
„Nicht so schnell“, bat sie.
„Lass ihn. Nach so einem Erlebnis würde ich mich auch betrinken. Ist noch mehr da?“
„Noch zwei Flaschen und weitere im Keller.“
„Gib sie ihm. Hier stinkt es nach Verdammnis. Ich werde mich zurückziehen.“
Mica wies in das helle Rechteck des Nebenraums. Anscheinend machte ihm das Tageslicht weniger aus als der Gestank. Er ging hinein und schloss die Tür. Kurz darauf gab es einen dumpfen Schlag. Soweit sie es beurteilen konnte, hatte er es bis zum Kanapee geschafft. Sie strich durch Rubens Haar. Ein trüber Blick umfing sie.
„Kannst du mich nicht wenigstens in Ruhe kotzen lassen?“
Keine Rede mehr davon, sie verlassen zu wollen. Im Augenblick war er sowieso damit beschäftigt, sich mit Wein zu betäuben. Sie breitete die Decke über ihm aus, öffnete die Fenster, holte die beiden anderen Weinflaschen für ihn und beseitigte die halb verdauten Überreste der Larvae. Anstelle von Widerwillen verspürte sie Genugtuung. Sie waren zu besiegen.
Ruben war eingeschlafen und so gesellte sie sich zu Mica. Er ruhte in derselben Haltung, die sie schon an Selene gesehen hatte. Die Arme auf der Brust gekreuzt, die Hände auf den Schultern. Ein aufgebahrter Vampir von beeindruckender Schönheit. Sie setzte sich zu ihm und schlug das Grimoire auf. Eine leere Seite kam zum Vorschein. Kein Hinweis, dass ihre Frage nichtig war oder die Zeit einer Antwort nicht gekommen, denn sie hatte keine Frage gestellt. Es war eine Aufforderung, die leere Seite zu füllen. Zum ersten Mal fühlte sie sich dem gewachsen. Sorgfältig sann sie über den Wortlaut nach, schnitt eine Feder zurecht, öffnete ein Tintenfass und begann mit ihrem ersten Eintrag.
Bei seiner Rückkehr in die Villa wurde Mica von der durchdringenden Stimme seiner Mutter empfangen. Bei allem, was Recht war, eine Lamia von ihrer Lebensspanne sollte nicht so laut keifen, dass ihre Tirade über das ganze Grundstück schallte. Selten hatte Selene so gellend geklungen. Es war nicht der Zorn einer Göttin, sondern helle Panik, die er aus ihrem Geschrei heraushörte.
„Ich verstehe
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