Söhne der Luna 2 - Die Braut des Wolfes
haben, und doch wich die Farbe aus seinem Gesicht. Seine Blässe bildete einen elenden Kontrast zu den schwarzen Bartstoppeln. Ein Nicken der Akzeptanz und seine Augen wurden wieder leer.
„Nein, ich sage mich nicht von dir los. Nein, ich verachte dich nicht. Und nein, ich fürchte dich nicht. Du hast uns gerettet. Ohne dein Eingreifen hätte niemand in diesem Haus letzte Nacht überlebt. Deiner Erinnerung mag es sich entzogen haben, die Larvae sind eingedrungen. Sie waren hier, in diesem Palazzo. Weder das Rudel noch Mica hätten sie abwehren können, wärest du nicht gekommen. Du hältst mich am Leben, Ruben. So und nicht anders ist es.“
Sein Atem entwich über seine Lippen. Ihr Inneres erzitterte unter seinem graugrünen Blick. So kalt. So unerreichbar weit fort.
„Du hast mich gesehen und weißt, was ich bin. Eine Bestie.“
Hart schleuderte sie die Bürste in den Zuber. Die Wirkung war nichtig im Vergleich zu ihrem Aufruhr. Ein Tropfen spritzte in sein Auge, er musste es zukneifen.
„Ruben de Garou! Du bist ein solcher Narr!“
„Und du bist die Närrin. Weil du die Wahrheit leugnest und die Tatsachen verklärst. Ich bin …“
Hitzig sprang sie von dem Schemel auf und unterbrach ihn. „Nichts an oder in dir wird mir jemals Angst machen!“
Auch er erhob sich, und da er im Zuber stand, überragte er sie um ein ganzes Stück.
„Niemand ist in meiner Nähe sicher. Sieh mich an. Das Licht des Vollmondes zeigt meine wahre Natur, mein wahres Gesicht. Der Mann, den du sehen willst, bin ich nicht. Wenn ich bleibe, werde ich für dich zu einer Gefahr. Eines Tages töte ich dich, ohne überhaupt zu wissen, wer du bist!“
Vehement schüttelte sie den Kopf. Sie sah ihn nicht nur vor sich. Sie hatte ihn berührt, kannte seinen Körper, hatte ihn in sich gespürt, seinen Leib und seine Seele aufgenommen und durchdrungen. Seine Stimme verlor jede Emotion.
„Du weißt selbst, weshalb ich mit dir um diesen albernen Wolfsstein herumgelaufen bin und dir ein Versprechen gab. Von Anfang an war es eine Farce. Ich hatte nicht vor, bei dir zu bleiben. Die Umstände haben mich dazu gezwungen. Es ist an der Zeit, diese Lüge zu beenden.“
Eine Eiskruste schloss sich um sie, durchbrach ihre Haut und kroch auf ihr Herz zu. Unaufhaltsam. Die Fäuste geballt wollte er aus dem Wasser steigen. Er hatte das Gesicht abgewandt, aber sie hatte ihn gesehen, denselben Schmerz, den er ihr mit seinen Worten zufügen wollte. Das Eis zerbarst in einem Knistern aus Magie. Es roch nach Blitzeinschlägen. Aus den Augenwinkeln gewahrte sie einen Ring aus Magie. Sie schürte ihn, bis auch er das helle Blau bemerken musste, in dem sie standen. Sie würde ihn nicht gehen lassen.
„Wenn du eine Bestie bist, was bin ich? Über Generationen hat meine Hexengilde monströse Zauber gewirkt, alles zum eigenen Vorteil. Gnade und Mitgefühl kannten sie nicht. Du bist es, der nicht sehen will.“
Sie hob ihren Arm ruckartig nach links. Ein Landschaftsbild flog von der Wand. Noch während es durch die Luft segelte, zerplatzte die Leinwand in einem Krachen. Sie riss beide Arme empor. Magie schoss aus ihr. Alle Möbel erzitterten. Holz knackte, Gegenstände polterten um, die Wände knirschten. Sie hielt inne, ließ ihre taub gewordenen Arme hinabsinken. Ruben starrte sie an.
„Die Frauen und Männer der Hexengilden sind keine Menschen. Wir sehen so aus, wir gebärden uns wie sie, kleiden uns wie sie und reden wie sie, aber wir sind Hexen und Hexer, Strega, Kinder der Nacht und ebensolche Bestien, wie du glaubst, eine zu sein.“
Sie füllte den hellblauen Ring mit Wind. Er peitschte durch ihre Locken, drückte den Rock gegen ihre Beine und ließ Ruben erschaudern. Jäh schienen seine Augen tiefer in die Höhlen zu sinken, fielen seine Wangen ein. Seine Haut wurde wächsern.
„Geh!“, presste er hervor und krümmte sich zusammen.
Der Ring löste sich auf und nahm den Wind mit. Ihre Magie versiegte in einem letzten Knistern. Tief gebeugt stützte er sich auf den Rand des Zubers, aber sie hatte noch nicht alles gesagt. Schwer fielen ihre Worte auf ihn nieder, brachten ihn zum Keuchen.
„Die Gilden können Leben oder Vernichtung bringen. Wir könnten die sieben Plagen der Bibel auf die Menschheit herabbeschwören und eines sollte dir klar werden: Eine Strega ist einem Werwolf sehr ähnlich. Was uns gehört, geben wir nicht wieder frei.“
Ein gequältes Stöhnen war die Antwort. Er ging in die Knie und presste die Hände auf seine
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