Söhne der Luna 2 - Die Braut des Wolfes
kniete neben ihnen und starrte zu dem Felsen.
„Hölle und Verdammnis!“, entfuhr es Ruben.
Sie sank an seine Brust und starrte nun selbst mit offenem Mund. Ruß hatte den Felsbrocken geschwärzt, in seiner Mitte war ein tiefes Loch, aus dem blaue Flammen schlugen. Der Stein brannte. Unsicher lachte Berenike auf.
„Das gibt es doch nicht. Stein brennt nicht.“
Sie blieben sitzen, beobachteten die kleinen Flammen und warteten darauf, dass sie erstickten. Doch sie brannten weiter, nährten sich von dem Felsen und vergrößerten das Einschlagloch. Lautlos fraß sich der Brandherd in die Steine, ohne das übliche Knacken und Knistern eines Feuers. Die Flammen waren von tiefem Saphirblau. Allmählich wurde es Aurora unheimlich. Das Hexenfeuer würde nicht von selbst erlöschen.
„Das kann übel ausgehen“, sprach Ruben ihren Gedanken aus.
Sie erhoben sich, wagten sich näher an die vor Hitze wabernde Luft heran. Sie hob ihre Haare an und blähte ihre Mäntel.
„In der Nähe gibt es kein Wasser“, meinte Berenike.
„Nicht einen Tropfen“, stimmte Ruben zu.
Ohnehin trugen sie nichts bei sich, um ausreichend Wasser schöpfen zu können. Das Hexenfeuer schürte sich selbst. Hatte es den Fels vernichtet, so würde es über das karge Erdreich kriechen, auf die Bäume zu. Am Ende würde es eine Spur bis nach Rom ziehen. Aurora dachte an Pompeji und die Geschichte, die Selene darüber erzählt hatte. Sie hatte das Hexenfeuer hervorgeholt, sie musste es auch wieder löschen können.
„Bleibt zurück, ich sehe es mir genauer an.“
Sie blieben nicht hinter ihr zurück, sondern dicht an ihrer Seite. Bald versengte Hitze ihre Gesichter, trieb Tränen in ihre Augen. Die kleinen Flammen besaßen eine weitaus größere Kraft als normales Feuer.
„Du bist eine Wetterhexe. Kannst du es nicht regnen lassen?“, fragte Berenike.
Kein Wölkchen zeigte sich im fahlen Blau des Himmels, und ohne diese konnte es auch eine Strega nicht auf Anhieb regnen lassen. Es würde viel zu lange brauchen, um Wolken heraufziehen zu lassen. Zudem glaubte Aurora nicht an die Wirkung von Wasser bei diesem magischen Feuer. Sie blickte in die blauen Flammen. Sie schienen um die verkohlten Leiber ihrer Eltern zu züngeln und zeigten ihr, was vor vielen Jahren geschehen sein musste. Ihr Vater hatte das Hexenfeuer gegen die Larvae geschleudert und war mit ihrer Mutter und Enzo selbst darin umgekommen. Hexendreck, was hatte sie bloß dazu verleitet, es einfach abzuschießen? Warum hatte sie nicht nachgedacht? Und weshalb lebte sie noch, während ihr Vater darin umgekommen war? War es geschehen, als er die Magie des Feuers gelöscht hatte? Dann stand sie vor einem großen Problem. Hinter ihrer Stirn krampften die Gedanken. Sie musste mehrmals tief durchatmen und füllte ihre Lungen mit Hitze.
„Er hat vergessen, woher wir kommen“, murmelte sie zu sich selbst. „Er richtete seinen Geist auf das Feuer. Dabei war das Element der Braglia stets der Wind. Die Kälte. Der Frost. So muss es sich verhalten, oder?“
Ruben und Berenike warfen ihr ratlose Blicke zu. Sie konnten nicht wissen, worüber Aurora sprach, und sie konnten ihr auch nicht helfen.
„Tretet zurück.“
„Was hast du vor?“, wollte Ruben wissen.
„Ich glaube, ich weiß, wie ich es löschen kann.“
„Du glaubst es? Das reicht nicht, Aurora.“
„Ihr Glaube hat mich aus den Kokons der Larvae befreit, ich vertraue ihr“, meinte Berenike.
Über ihren Kopf hinweg bahnte sich ein hitziger Wortwechsel an. Aurora achtete nicht darauf, sondern nutzte die Ablenkung der beiden, um die Hand vorzustrecken. Ruben sah es und schrie entsetzt auf.
„Nicht!“
Zu spät! Ihre Finger tauchten in die blauen Flammen. Über lange Jahre hatte sie das Grimoire studiert und Wissen gesammelt. Sie wusste, worin die Stärke der Braglia lag. Zu lange hatte sie eine Gabe vermisst, um sich jetzt auf die Magie eines fremden Elementes zu verlassen anstatt auf das ihrer Gilde. Die Flammen griffen nach ihrer Hand, legten sich darum und wollten sie verzehren. Wind lenkte sie beiseite, hielt sie auf Abstand. Das Saphirblau des Feuers traf auf Eis. Krachende Funken flogen von ihrer Hand auf.
„So etwas habe ich nie zuvor gesehen“, sagte Berenike.
Einen Zeugen hatte es in einem Kampf zwischen zwei magischen Elementen wohl auch noch nie gegeben. Die Hexenmacht der Braglia wurde zu unnachgiebigem Frost. Er wanderte über die Flammen. Das tiefe Blau verblasste, das Feuer versteinerte, und als sie
Weitere Kostenlose Bücher