Söhne der Luna 2 - Die Braut des Wolfes
Fingerspitzen ihre Schläfen. „Ich muss nachdenken.“ Hexendreck, sie musste einen Ausweg finden, irgendeine Möglichkeit, ihr Ultimatum zurückzunehmen. Und zwar schnell.
„Worüber willst du nachdenken? Ruben de Garou ist deiner würdig. Ich habe die perfekte Wahl für dich getroffen. Mit weniger hätte ich mich um deinetwillen nicht zufriedengegeben.“
Das war ein schlechter Scherz. Um ihretwillen hatte ihr Vormund noch nie eine Anstrengung unternommen. Er wollte ihre Entscheidung erzwingen. Nur deswegen bedrängte er sie. Viel zu dicht stand er neben ihr, unterband jedes Ausweichen.
„Er entstammt einem alten Geschlecht. Die Sippe der Garou kann ihre Blutlinie bis zum ersten Wurf der Luna zurückverfolgen. Unter seinen Vorfahren finden sich die größten Krieger der Sippen. Er gehört zu den Besten, er fürchtet niemanden. Ich habe deine Forderung nicht nur erfüllt, ich habe sie übertroffen.“
„Ja, ist ja gut! Daran zweifle ich nicht.“
Über die Schulter warf sie einen Blick zu Ruben de Garou, der vorgab, nichts von dem Gespräch mitzubekommen.
„Ich werde eine Weigerung nicht hinnehmen, Aurora. Versuch erst gar nicht, dich aus unserer Absprache herauszuwinden. Da ich meinen Teil der Abmachung einhielt, wirst du nun den deinen erfüllen. Deine Zusage gilt. Das ist das Gesetz deiner Hexengilde. Finde Saphira. Haben wir uns verstanden?“
Ruben betrachtete seine Stiefelspitzen. Er war reizend, aufregend und anziehend. Und sie war nie davon ausgegangen, so etwasjemals über einen Werwolf zu behaupten. Nichts an ihm war abstoßend, und sein zweifarbiges Haar faszinierte sie. Wellen aus Rot und Schwarz. Ihre Finger zuckten, als wollten sie hineingreifen.
„Ich möchte mit ihm reden.“
Tizzio trat zurück. „Niemand hindert dich daran.“
„Unter vier Augen.“
Der Machtkampf verlief kurz und stumm. Schließlich gab Tizzio nach und verließ das Besucherzimmer. Als sie vor Ruben trat, hob er die Lider. Er sah auf ihre Knie, die unter dem weiten Habit nicht zu sehen waren. Sie bemerkte ein Kräuseln seiner Unterlippe, ein Zucken in seinem Wangenmuskel. Ein Bräutigam biss nicht die Zähne aufeinander. Ihre Enttäuschung über seinen Mangel an Begeisterung überrumpelte sie.
„Ruben de Garou, Ihr seid nicht freiwillig hier.“
Endlich sah er auf. Sie war nah genug, um den Kranz schwarzer Wimpern zu sehen, der seine Augen einfasste. In dem Graugrün erhaschte sie Distanz, wenngleich keine offene Abweisung.
„Ich bin Tizzio etwas schuldig.“
Seine Stimme klang rauchig, etwas heiser und glich schwerem Samt. Überrumpelt von ihrer Reaktion auf ihn, musste sie einen Augenblick warten, bis der Raum sich nicht mehr um sie drehte. In ihrem Hals saß ein Kloß. Sie wollte noch mehr hören. Gleichgültig was, Hauptsache, er blieb nicht stumm.
„Ihr seid mir nicht unbekannt. Mein Vormund ereifert sich seit Jahren über den Wilderer, der in sein Revier eindringt und ihn zum Narren hält. Ich war noch ein Kind, als ich seine Hassreden auf Euch zum ersten Mal hörte. Bisher wart Ihr immer klug genug, ihm auszuweichen.“
Sie hatte darüber heimlich gelacht, mit dem unbekannten Streuner frohlockt, der Tizzio immer wieder ein Schnippchen geschlagen hatte. Einmal hatte sie die Nacht auf einem Balkon verbracht, in der Hoffnung, ihn zu sehen, den sagenhaften Räuber. Jetzt stand er direkt vor ihr und zuckte die Schultern.
„Tja, jeder hat mal Pech.“
„Selbst jetzt noch könntet Ihr ihm entwischen. Weshalb lässt sich ein Alphawolf Eurer Abstammung von Tizzio für seine Zwecke einspannen?“
„Keiner von uns sollte seine Gefährtin verlieren.“
„Kennt Ihr Saphira?“
„Nein.“
„Weshalb dann?“
Er gab keine Antwort. Langsam schlenderte sie um ihn herum, blieb in seinem Rücken stehen. Etwas, das Werwölfe überhaupt nicht mochten. Mit den Fingerspitzen berührte sie seinen Zopf. Er merkte es bestimmt nicht.
„Es geht um meine Zukunft und Eure. Das verdient Aufrichtigkeit. Was zwingt Euch hierher?“
Er drehte den Kopf, bot ihr ein scharfkantiges Profil. „Ich bin in Rom wegen einer Angelegenheit meines Bruders Cassian. Daher werde ich Tizzio helfen. Es gibt Wichtigeres als mich oder Euch, Madonna.“
Sie gelangte wieder vor ihm an. „Wisst Ihr, was ich bin, Ruben de Garou?“
Seine Zungenspitze huschte über seine Unterlippe. Was er wusste, gefiel ihm nicht. „Ja.“
„Dann wisst Ihr auch, dass ich Eure Gedanken lesen kann. Ich kann sie pflücken wie Blumen, einen nach dem
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