Söhne der Luna 2 - Die Braut des Wolfes
hob sich hell aus dem Grau des ausklingenden Tages, doch ihr Blick schweifte nur achtlos darüber, ehe er von Ruben angezogen wurde und sich nicht mehr lösen konnte. Er hatte sich von einem Landstreicher in einen Ausbund an Eleganz verwandelt. Weiße Kniehosen, hohe Stiefel, eine Brokatweste und ein Gehrock aus dunkelgrünem Samt. Straff zurückgebunden sein Haar, mahagonirote Strähnen in tiefem Schwarz. Die weißen Spitzen seines Hemdes betonten die leichte Bräune seines Gesichts. Nicht die Spur eines Bartschattens lag darauf. Zaghaft blieb sie stehen. Die Pracht ihres Bräutigams zog alle Aufmerksamkeit auf sich. Zweifelsohne wurden Vergleiche gezogen.
Eine Strega sollte immun gegen Getuschel sein. Es half nichts, sich das zu sagen. Hier und jetzt war sie ganz Frau. Unberührt und unerfahren, angefüllt mit Wünschen und Sehnsüchten fernab der glorreichen Vergangenheit ihrer Hexengilde. Ihre Sinne bündelten sich auf Ruben, der ihr in einer galanten Geste die Hand entgegenstreckte. Gemessen schritt sie auf ihn zu und legte ihre Hand in seine. In ihren Handflächen entlud sich ein winziger Blitzschlag. Er hatte es ebenfalls gespürt. Mit ernster Miene wandte er sich dem Wolfstein zu. Kleine Kerben um seine Mundwinkel verrieten seine Anspannung.
Tizzio stolzierte herbei, zur Feier des Tages ausstaffiert wie ein Stutzer, von den Schnallenschuhen bis zu seinem Federhut. Weiß blitzten seine Zähne aus dem roten Bart. Er grinste in die Runde und warf sich in Positur. Seine Stimme schmetterte durch den Innenhof, als seien die Anwesenden ausnahmslos mit Taubheit geschlagen.
„Rudel der roten Wölfe! Wir sind zusammengekommen, um mein Mündel aus meiner Obhut in die Fürsorge eines anderen zu stellen. Ihr alle kennt Aurora. Lange Jahre lebte sie mit uns. Wir haben sie heranwachsen sehen, die letzte Tochter aus derGilde der Braglia. Ohne den Wagemut eines ihrer Ahnen wäre meine Sippe erloschen. So ist es mir eine Ehre, den Sprössling unserer Verbündeten und Freunden einem Alphawolf zu überantworten, der …“
Tizzio stockte unter dem scharfen Blick aus graugrünen Augen. Hüstelnd kürzte er seine Rede ab und verzichtete auf die Erwähnung all der Ehren, die Ruben de Garou über die Jahrzehnte errungen haben musste.
„Der aus altem Geblüt ist und einer Braglia würdig. Ihr habt Euch die Hände gereicht, und so wollen wir Euer Versprechen bezeugen. Schwört einander Respekt und Achtung von heute an bis zu Eurem Tod.“
„Ich schwöre“, sagte Ruben prompt.
Abwartend hielt Aurora ihren Schwur zurück. Das konnte nicht alles gewesen sein. Respekt und Achtung waren in einer Zusammengabe nicht genug. Was war mit Treue, Rückhalt, Liebe? Tizzio sagte nichts mehr. Stattdessen fixierte er sie grimmig, da sie ihren Schwur nicht leistete. Sie schürfte in ihrem Gedächtnis nach den Gebräuchen der Hexengilden. Im Grimoire ihrer Familie waren sie aufgeführt. Der Augenblick sollte das erhalten, was ihm gebührte. Langsam begann sie, nicht bereit, sich drängen zu lassen.
„Ich, Aurora Braglia, Tochter von Marcello und Sabina, nehme dich, Ruben de Garou, zu meiner Ergänzung vor dem Angesicht der allgewaltigen Mutter Erde und Schöpferin allen Seins. Du bist mein Licht und Schatten, Atem und Herzschlag, von heute an und immerdar. Hiermit schwöre ich vor Zeugen, dich zu bewahren vor jedwedem Übel, dich zu heilen von jeglichem Leid, dir Schwert und Schild zu sein gegen deine Feinde.“
Ein plötzlicher Windstoß hob ihre Locken an. Unruhe entstand. Die roten Wölfe traten von einem Fuß auf den anderen und rempelten sich an. Fassungslosigkeit huschte über Rubens Gesicht. Tizzio räusperte sich vernehmlich.
„Gut gesprochen, Aurora. Umrundet nun den … ähm, Wolfstein und besiegelt Euer Gelöbnis.“
Betont feierlich nahmen sie die acht Runden um die Statue in Angriff. Aurora hielt die Augen starr nach vorne gerichtet. Ihr Versprechen hatte Ruben überrumpelt. Er legte keinen Wert auf ein Schild und ein Schwert oder gar darauf, ihr Licht und ihr Schatten zu sein. Röte kroch über ihr Gesicht und floss in ihr Dekolleté, versengte ihre Haut. Kein Ring, kein Kuss, was für ein trauriger Hochzeitstag. Flau rumorte es in ihrer Magengrube, von links nach rechts, hinauf und hinab. Auf den Tag folgte die Nacht. Sie würde mit Ruben ein Bett teilen. Der Gedanke rieselte über ihren Rücken und entzündete Funken auf ihrer Wirbelsäule.
Schnell zeigte sich, dass außer ihr niemand einen Gedanken an die
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