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Söhne der Luna 2 - Die Braut des Wolfes

Söhne der Luna 2 - Die Braut des Wolfes

Titel: Söhne der Luna 2 - Die Braut des Wolfes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lara Wegner
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doch nur die Tapete. Ist sie nicht wunderschön?“
    Das Leuchten der Farben, das Muster der Schnörkel war ihr bisher nie aufgefallen. Unfassbar schön kam es ihr vor, und so überaus präsent, dass sie in andächtige Betrachtung verfiel. Sie wollte noch mehr sagen, aber ihrer Zunge war ein Pelz gewachsen. Die Schaukel, auf der sie sich wähnte, kippte. Kräftige Arme fingen sie auf und hoben sie an. Sie begann zu schweben. Immer höher. Sie hatte nicht geahnt, dass sie zu den Strega gehörte, die fliegen konnten. Ihr Aufstieg wurde jäh von einem Betthimmel zunichtegemacht.
    „Das ist schade“, murmelte sie.
    „Schließt die Augen. Es wird gleich besser.“
    Noch besser? Das war kaum möglich. Sie schloss die Augen.
    „Ihr seid müde. So müde. Schlaft, Aurora.“
    Ja, sie wollte schlafen. Ihre Lider waren schwer. Um sie herum und tief in ihr war es warm und weich. Ein Nebel kam auf, leuchtete in allen Farben des Regenbogens.
    „Schön“, hauchte sie, drehte sich zur Seite und schob die Hände unter ihre Wange. Auf wolkigen Nebelschwaden trieb sie davon.

3
     
    D
as Bassin kam im Rhythmus eines verlangsamten Herzschlags auf ihn zu und wich wieder zurück. Leicht kräuselte sich die Wasseroberfläche und mit ihr die Wolken, die sich darin spiegelten. Ruben erinnerte sich nicht daran, wie er aus der Villa auf dem Aventin in Tizzios Garten gelangt war. Zu Fuß hatte er sich zurückgeschleppt, auf zittrigen Beinen. Auch seine Hände zitterten. Als er sie zu Fäusten ballte, wanderte das Zittern an seinen Armen hinauf. Er konnte es nicht einstellen.
    Selene hatte ihr Versprechen gehalten. Die Nacht mit ihr würde unvergesslich bleiben. Jeder Augenblick hatte sich in den Windungen seines Hirns verankert. Übelkeit erregende Widerhaken. Dunkle Stunden, angefüllt mit überirdischer Wonne hatte er erwartet. An nichts anderes hatte er gedacht während der Hochzeitszeremonie. Um seine Sehnsucht zu erfüllen, hatte er der Hexe eine kleine Dosis Opium eingeflößt, um unbemerkt verschwinden zu können. Was er von Selene jedoch erhalten hatte, war eine Demonstration ihrer Macht und die Urgewalt seiner eigenen Triebe. Er hatte erfahren, was eine Lamia aus einem Werwolf machte. Finstere, von kranker Lust erfüllte Stunden lagen hinter ihm. Jede einzelne davon Genuss und Folter zugleich. Er war zum Instrument einer Lamia geworden, und diese wusste vortrefflich darauf zu spielen. Sie hatte alles von ihm verlangt, und er hatte alles gegeben. Seinen Schweiß, seinen Samen und seinen Stolz. Nur eines hatte Selene nicht erhalten: die Marke des Werwolfs.
    Der Mann war bereit gewesen, seine Würde preiszugeben, der Wolf war darauf bedacht, sie sich zu erhalten. Von der verstörenden Mischung aus Ekstase und Qual bar jeder Leichtigkeit hatte sich das Tier in ihm abgewandt und sich unerreichbar tief in ihm verkrochen. Ruben blieb seinen Blessuren überlassen. Außerstande, sich zu verwandeln, brannte sein Körper von den Striemen, die Selenes spitze Fingernägel in seine Haut gerissen hatten. Seine Kleidung klebte an getrocknetem Blut. Er war bedeckt mit seinen Säften. Selene hatte sie bis in sein Haar hinein gerieben, und es klebte in dicken Strähnen zusammen. Seine Kehle war wund, ein Nachhall seines Flehens um Erlösung. Die Hände und Lippen einer Lamia hatten ihn zu einem zuckenden Wurm degradiert. Immer wieder hatte sie ihre Fänge über seine Haut gezogen, ohne zuzubeißen. Erst im Morgengrauen hatte sie Gnade gezeigt und sein Verlangen gestillt. Erst nachdem sie nichts mehr aus ihm herauskitzeln konnte und er zu erschöpft war, um nach mehr zu winseln. Er hatte es überlebt, aber das war schon alles.
    Je länger er am Beckenrand stand und auf seine verschwommene Gestalt in der Wasseroberfläche sah, desto größer wurde der Ekel vor sich selbst. Was hatte er getan? Worauf sich eingelassen? An diesem Morgen war er von einem Kriegsschauplatz zurückgekehrt. Nie zuvor hatte er sich so elend gefühlt, nie so stark die Gemeinschaft eines Rudels vermisst. Zwischen ihren pelzigen Leibern hätte er sich niederlassen und tief und lange schlafen dürfen.
    Wieder kam das Bassin auf ihn zu, das Wasser farblos im Zwielicht der frühen Morgenstunde. Ruben stieß sich ab und sprang kopfüber hinein. Kalt schlug es über ihm zusammen. Das Wasser umspülte und betäubte ihn. Er wollte so lange darin bleiben, bis es nicht nur seinen Körper, sondern auch sein Gedächtnis von der Demütigung der vergangenen Nacht gereinigt hatte.

     
    Mit

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