Söhne der Luna 2 - Die Braut des Wolfes
Zumal sie Aurora ihr Leben verdankte.
„Du hast eine tiefe Wunde davongetragen. Meinetwegen. Erlaube mir, sie zu versiegeln, damit keine Narbe bleibt. Der Speichel des alten Volkes heilt.“
Aurora umfasste ihren Arm und drückte ihn an den Oberkörper.
„Aurora!“, bellte Tizzio. Er stand noch immer im Durchgang. „Komm endlich. Du hast hier nichts mehr verloren.“
Neben Aurora versteifte sich der andere Alpha. Berenike warf ihr Haar zurück und kam ihm in einer Antwort zuvor. „Was geht sie dich an? Kaum ist deine Gefährtin tot, willst du eine andere herumkommandieren? Ich glaube kaum, dass du einen Anspruch auf sie hast. Also halt dein Maul!“
„Kind, beruhige dich doch.“
„Ich bin ganz ruhig, Mutter“, knirschte sie. „Du hast mich gerettet, Aurora. Dafür schulde ich dir Dank. Lass mich deine Wunde heilen.“
„Es wird von selbst heilen.“
Die Stimme des dunklen Alphawolfes war rau und leise, der Unterton darin warnte sie davor, Aurora zu nahe zu kommen. Anders als Tizzio flößte er Respekt ein. Er brüllte nicht erst herum, er würde sofort angreifen.
„Dann soll also eine Narbe bleiben, die an den glorreichen Tag erinnert, an dem sie eine Lamia befreite und sie verpflichtete?“
„Liebes, du bist zu nichts verpflichtet“, flüsterte Selene ihr zu. „Was ist bloß mit dir?“
Was für eine Frage. Saphira war ein Opfer der Larvae geworden. Sie hatten endlose Stunden miteinander verbracht, und niemand trauerte um sie, am wenigstens ihr Gefährte. Gemeinsam hatte die Wölfin mit ihr gelitten, gemeinsam hätten sie durchhalten sollen.
Aurora trat einen Schritt auf sie zu. „Ich vertraue dir. Versiegle meine Wunde.“
Sacht umfasste Berenike den blutigen Arm. Der Geruch nach Wind und Regen wurde stärker und legte sich um ihre wirren Gedanken über eine Rudelwölfin, deren Sterben sie eigentlich nicht bekümmern sollte. Der Schnitt teilte die helle Haut, deren Blässe sich von ihren eigenen, dunkleren Fingern abhob.
„Hüte dich vor einem Fehler, Lamia“, knurrte der dunkle Alphawolf.
„Nicht der Speichel, sondern der Biss einer Lamia ist giftig, Ruben“, sagte Mica.
Bisher hatte Berenike ihren Bruder erfolgreich ignoriert. Sie musste ihn nicht genauer in Augenschein nehmen, um seine Wirkung zu spüren. Sein Wuchs und seine Haltung strahlten eine Würde aus, die auf Jahrtausende zurückblickte. Selene hatte nicht übertrieben. Er war eine Lichtgestalt, erfüllt von dem Selbstvertrauen, jedem Gegner gewachsen zu sein, jeder Gefahr begegnen zu können. Unter den Vampiren war er der älteste, schnellste und tödlichste. Dazu brauchte er keinen Beweis anzutreten. Es war eine Tatsache, die er verströmte, wo immer er ging und stand. Sogar hier, in diesem dunklen Gewölbe, war er überirdisch.
„Ich habe nicht vor, dich zu beißen, Aurora“, versicherte sie. „Es geht mir nicht um dein Blut. Ich will nur helfen.“
„Kind, vergiss nicht, dass es dir an Nahrung mangelte. Du bist noch nicht so weit, um deinen Hunger zu unterdrücken“, mischte sich Selene wieder flüsternd ein.
Welcher Hunger? Sie forschte danach und fand nichts, was ihrem üblichen Hunger ähnelte. Das Blut der Hexe roch noch im angetrockneten Zustand süß, aber sie wollte sich nicht daran laben. Lag es an Aurora? Sie sah kurz zu ihr auf. Die eigentliche Gefahr ging nicht von Ruben, sondern von ihr aus. Hinter der Fassade aus zarten Zügen und weichen Lippen lauerte Magie. Bereit, auszubrechen, sollte es nötig werden. Berenike hob Auroras Arm an ihre Lippen. Speichel sammelte sich in ihrem Mund. Sie leckte über die Wunde und schmeckte nahrhaftes Blut, etwas bröselig auf der Zunge, da es schon trocken war. Ein winziger Teil in ihr wusste den vollmundigen Geschmack zu schätzen. Doch die Abwehr war größer und kam Ekel sehr nahe. Sie konnte nicht schlucken, zog den Kopf zurück und spuckte aus. In der angespannten Stille klatschte ihr Speichel zu Boden.
Aurora blinzelte und zog ihren Arm zurück. Ruben wirkte erleichtert. In den Mienen von Mica und Selene stand Schock. Die beiden hatten etwas anderes erwartet und sich gewappnet, um einzugreifen, sollte Berenike die Kontrolle verlieren.
„Was …?“, keuchte Selene fassungslos auf.
„Immerhin habe ich sie nicht gebissen und ausgesaugt“, stieß Berenike hervor. Sie widerstand dem Bedürfnis, über ihre Lippen zu reiben.
Aurora betrachtete ihren Arm. Die Wunde war noch immer offen. Ihr Speichel hatte nichts bewirkt. Ruben zerrte einen langen
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