Soehne des Lichts
du brauchst diesen Krieg, Ilat!“, zischte er. „Du brauchst das Töten, und du brauchst die Gelegenheit zu beweisen, dass du Rynwolf zu etwas zwingen kannst. Du tötest nicht mehr so viel wie früher, als Garnith dich noch aufgestachelt hat, gänzlich unterlassen kannst du es nicht. Du willst dafür sorgen, dass noch ein paar mehr Leute dich hassen, und du magst den Gedanken, Fürst Holgén zu unterwerfen, der andernfalls womöglich von Roen Orm abgefallen wäre. Irgendetwas vergessen? Ah ja, du bist froh, aus der Stadt raus zu sein, sie erstickt dich.“
Janiel presste die Augen zusammen und wartete auf sein Todesurteil. Wer so mit dem König sprach, konnte nichts Gutes erwarten. Eigentlich nicht schlecht, wenn er auf diese Weise dem Krieg entkommen sollte … Als nichts geschah, blinzelte er misstrauisch. Gleichgültig, was er erwartet hatte, das breite Grinsen, mit dem Ilat ihn musterte, war nicht dabei gewesen.
„Ich wusste, es war sinnvoll, dich in meiner Nähe zu halten. Wenn du mal aufhörst, dich wie ein vertrockneter Priester zu benehmen, bist du durchaus nützlich.“ Er lachte leise und tätschelte Janiels Wange gönnerhaft. „Jugend ist der einzige Fehler, der sich selbst behebt, sagt man so schön. Du musst noch ein bisschen geformt werden, ein bisschen reifen, dann wird was aus dir.“
„Eine hübsche Marionette?“, fragte Janiel bitter. Ihm war schlecht, und er wollte nichts weiter als endlich weg von diesem Irren zu kommen. Weit weg.
„Nein. Das bist du schon. Rynwolfs kleine Marionette.“ Ilat grinste höhnisch. „Du hast es in dir, Priester. Du kannst allein tanzen, wenn du nur willst und du bist der einzige, der mir ehrlich sagt, was er denkt. Das macht nicht einmal dein Rynwolf. Du hast Angst vor mir, aber auch ein kluges Köpfchen, mit dem du die Angst beherrschen kannst.“
Einen Moment lang schwieg er, starrte in die Dunkelheit, wo in wenigen Stunden schon Lynthis sichtbar werden würde. „Du hattest Recht. Mit allem. Auch mit dem, was du nicht gesagt hast. Ich werde diesen Angriff nicht verlieren. Ich weiß genau, was Roen Orm dadurch erleiden würde, ich muss gewinnen, um alles Übel abzuwenden. Sie ist meine Stadt, egal, was ich sonst will oder bin. Ich will ihr Bestes. Ich werde siegen.“
Er blickte in Janiels schmerzverzerrtes Gesicht und packte ihn an der Schulter. „Geh, Priester, ruh dich aus. Morgen brauche ich dich an meiner Seite.“
Janiel nickte, und ging langsam in Richtung der Kajüte, die er mit zwei anderen Priestern teilte.
„Janiel.“
Er fuhr herum – noch nie hatte Ilat ihn mit seinem Namen angesprochen.
„Danke.“ Der König hob die Hand, ohne ihn anzusehen. Stumm setzte Janiel seinen Weg fort.
Ein Rebell? Bin ich das? Will ich das sein?
~*~
Allzu früh dämmerte der Morgen nach schlafloser Nacht. Die Anspannung der gesamten Besatzung auf der Roen Orm war beinahe mit den Händen zu greifen. Sie hatten über 1400 Seemeilen in knapp einer Woche zurückgelegt, getrieben von magisch begünstigten Winden. Vor ihnen öffnete sich die Bucht von Hiskalya, am vorderen Südzipfel des Kontinents. Hier lag die Stadt Lynthis, die den gesamten Seehandel dominierte. Umrundete man diesen Zipfel, geriet man in gefährliche Gewässer, mit unsicheren Meeresströmungen und Untiefen sowie unzähligen kleinen Inseln, die noch nie vollständig kartographiert und erforscht worden waren. Niemand steuerte Lynthis von der Ostseite Enras an, das käme Selbstmord gleich. Und nur von hier aus starteten Handelsschiffe und Expeditionen zu anderen Kontinenten. Roen Orm war vielleicht das Herz und der Mittelpunkt der gesamten Welt, doch die steuernde Hand des Seehandels befand sich in Lynthis.
Es war jedem klar, dass es ein schwerer Schlag für Enras Frieden und Roen Orms Sicherheit bedeuten würde, wenn Lynthis sich tatsächlich für unabhängig erklärte. Die Frage blieb, ob es jemals soweit gekommen wäre, denn der Fürst von Lynthis war kein Narr. Die nächste Frage lautete, ob ein schneller, unbarmherziger Angriff tatsächlich der einzige Weg war, dieses Problem zu lösen.
Eine Frage, die niemand zu stellen wagte.
~*~
„Du kannst also nicht kommen?“, wiederholte Rynwolf ungläubig. „Ich dachte, du bist in zwei Wochen hier!“ Er starrte in die Flammen, über die er magischen Kontakt mit seinem Neffen Cero, Fürst von Barrand hielt.
„Es war ein Akt der Sabotage. Jemand hat ganz gezielt meine Flotte beschädigt, es wird Monate dauern, alles zu
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