Soehne des Lichts
Entschlossenheit, die vor allem Shora zeigte, wissend, dass sie diese niemals würde nachahmen können.
„Ich wollte seit Tagen mit dir reden, aber es ist immer etwas dazwischen gekommen!“, sagte sie mit einem Anflug von
schlechtem Gewissen. „Kommt, setzt euch!“
Rasch entzündete Inani einige Kerzen und erzählte dabei von dem, was sich die letzten Tage über ereignet hatte.
„Ich mache mir Gedanken um die Zukunft. Sobald Darudo stirbt, werde ich heiraten müssen, um weiter am Hof bleiben zu können, nicht wahr? Was denkst du, Mutter?“, stellte sie schließlich die Frage, die sie am meisten fürchtete.
Shora und Alanée tauschten einen langen Blick. Sie hatten Inanis Bericht mit keinem Wort unterbrochen, wurde ihr mit Unbehagen bewusst – für gewöhnlich stellten die beiden hunderte von Fragen, kritisierten und lobten jede einzelne Entscheidung. Meist kritisierten sie mehr, vor allem Inanis andauernde Unfähigkeit, sich vollends zu beherrschen. Ihre Angewohnheit, sich hinter ihren Raubtierinstinkten zu verstecken statt wie ein Mensch zu handeln.
„Was ist mit euch?“
„Inani, wir waren uns nicht sicher, doch jetzt steht es fest. Du bist erwachsen geworden. Erwachsen in dem Sinne, dass du bereit bist, die Konsequenzen deiner Entscheidungen und Taten zu tragen. Du besitzt genug Wissen und Erfahrung, um schlimme Fehler vermeiden zu können. Du brauchst uns nicht mehr.“ Shora lächelte voller Stolz.
„Was redest du da? Natürlich brauche ich dich, und Alanée genauso!“ Aufgewühlt sprang Inani hoch und kniete vor der Frau nieder, die sie zwar nicht geboren hatte, aber in ihrem Herzen die einzige Mutter war, die sie sich je gewünscht hatte.
„Inani.“ Shora küsste ihr liebevoll auf Stirn und Wangen. „Ich bin so stolz auf dich, so unsagbar stolz! Egal, was geschieht, vergiss nie: Ich liebe dich.“
„Mutter, du machst mir Angst“, flüsterte Inani, „bitte, was hast du vor?“
„Du musst eine allerletzte Lektion lernen, die letzte, die wir beide dir auf deinen Lebensweg mitgeben können“, sagte Alanée. „Dräng uns nicht, du wirst es sehr bald erleben. Nicht verstehen, und auch nicht verzeihen, für lange Zeit nicht. Dennoch ist es unabdingbar, dass du diese letzte Erfahrung mitnimmst. Sie wird dich lehren, was es bedeutet, eine Hexe zu sein. Sie wird dich lehren, den Weg des Zorns und Hasses verlassen zu können, wenn es notwendig ist – oder du gehst zugrunde. Du wirst verstehen, mit der überlegenen Intelligenz eines Menschen zu handeln statt mit den Instinkten von Schlangen oder Raubkatzen. Du weißt, es ist nichts falsch an diesen Instinkten, wenn du
jederzeit fähig bist, sie zu beherrschen.“
Inani wollte aufspringen, sie spürte, dass die beiden etwas planten. Etwas weitaus Schlimmeres als eine Taube zu töten … Shora packte sie an beiden Schultern und drückte sie nieder..
„Inani, was eine Hochzeit betrifft, glaubst du wirklich, es wäre dein Schicksal, einen der blassen, dummen Adligen hier in den Wahnsinn treiben zu müssen? Graf Orel vermutlich, der dir Zugang zu Ilats innersten Kreis verschaffen würde?“, fragte Shora mit einem schmalen Lächeln.
„Nun, wie sonst sollte ich an unseren baldigen König herankommen?“ Inani gefiel nicht, wie Shora versuchte, vom Thema abzulenken. Beherrschung, Schicksal ... Was sollte das alles?
„Gar nicht, genau das ist der Punkt. Kythara unterstützt uns in dieser Hinsicht, du bist in Roen Orm zu gefährdet. Der neue Erzpriester schlägt nach Garnith, er lässt ebenfalls Frauen verfolgen, bei denen er magisches Talent vermutet. Wie jeder neue Machtinhaber legt er dabei besonderen Eifer an den Tag. Rothaarige werden als Erstes befragt, Hebammen, Kräuterkundige, Heilerinnen ... Und alle Frauen, die auf irgendeine Weise auffällig werden. Zwar lässt man sie gnädig laufen, wenn man keinerlei Spuren von Magie in ihnen findet, doch du, Inani, bist auf so vielfältige Weise auffällig geworden, dass du dich der Befragung nicht entziehen könntest. Deine kleinen Anfälle waren bislang vielleicht ohne Folgen, leider können wir dich nicht mehr schützen, wie du weißt. Jedermann hier hat bereits erlebt, dass du leicht erregbar bist und zu gefährlichen Rachefeldzügen neigst. Ich muss dich nicht an die Sache mit Namara erinnern?“ Shora lächelte finster. Inani verzichtete auf die Antwort. Gräfin Namara hatte es gewagt, sie herauszufordern, indem sie die Versetzung eines Wachsoldaten erwirkte, den Inani sich so lange und
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