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Soehne des Lichts

Soehne des Lichts

Titel: Soehne des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Balzer
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das sind die Guten, die das Schlechte in dieser Welt vernichten werden ... Erwachet, das Leben ist kein Märchen! Die Bösen planen Böses, ja, die Guten wollen das Gute, ja. Doch denke immer daran und vergiss es nicht: Das größte Übel der Welt kann aus dem Wunsch entstehen, Gutes zu tun, und es sind oft genug die Schlechten, die Schwachen, die Bösen, die Gutes bewirken, ohne es zu wollen. Oder weil es profitabler für sie ist.“
    Grundsatz der Töchter der Pya
     
     
    Ilat führte die Trauerprozession durch die Straßen der Stadt an. Ganz Roen Orm trug heute graue Trauerkleidung, alle Fahnen waren eingeholt. König Darudo lag auf der Totenbahre, Ilat schritt als sein Erbe voraus. Königin Rosanna folgte unmittelbar neben der Bahre, hinter ihr Rynwolf, der neue Erzpriester der Söhne des Lichts. Erst dann kamen nach und nach der Hofstaat, die restlichen Priester und Ehrengarde. Es würde den gesamten Tag dauern, durch sämtliche wichtigen Straßen von Roen Orm und wieder zurück zum Palast zu laufen, ein langer, ermüdender Weg. Die Priester sangen und beteten, das Volk warf Blumen vor die Füße der Bahrenträger.
    Die meisten weinten offen.
    Ilat wusste, dass viele sich vor der Zukunft fürchteten. Vor der Zukunft mit ihm auf dem Thron. Sein eigener Vater hatte sich davor gefürchtet und verzweifelt um jeden Atemzug gekämpft, um das Unausweichliche so lange wie möglich hinauszuschieben.
    Narr!, dachte er verächtlich, während sein Blick starr auf den blütenbedeckten Boden gerichtet war. Du bist selbst schuld dem, was geschehen ist, du ganz allein!
    Seine Erinnerungen wanderten zurück zu jenem Tag, als Ilat, gerade einmal sechs Jahre alt, sich gegen seinen Vater aufgelehnt hatte. Ilat war es leid gewesen, ständig von Erziehern und Eltern und sogar den Bediensteten dazu angestachelt zu werden, seinen jüngeren Bruder zu quälen, der da fast noch ein Baby gewesen war.
     
    „Warum soll ich ihm sein Spielzeug wegnehmen, Vater?“, fragte Ilat wütend. „Ich spiele gerne mit Thamar! Es ist einfach lustiger zu zweit!“
    Es war nicht das erste Mal, dass Ilat solche Fragen stellte, doch noch nie hatte er es gewagt, sie an seinen gestrengen Vater zu richten. Der musterte ihn einen Moment lang mit diesem Königsblick, wie Ilat es insgeheim nannte. Dann holte er aus und ohrfeigte Ilat so hart, dass er zu Boden fiel.
    „Wag es nicht zu weinen, Ilat! Ein Prinz weint nicht, niemals! Und wag es nicht, die Gesetze in Frage zu stellen, mit denen dein Vater, der König, diese Stadt regiert!“
    Ilat weinte, er konnte es nicht verhindern, obwohl er wusste, dass es harte Strafen mit sich brachte, als Prinz Schwäche zu zeigen.
    Darudo packte ihn an den Haaren und zog ihn mit sich, hinab in die Kerker des Palastes. Hier, an eben dem Ort, den Ilat mehr als alles andere fürchtete, wurde er geschlagen, bis er weder Tränen noch Kraft übrig hatte, um seinen Vater um Gnade anzuflehen.
    „Lerne es jetzt, Ilat, lerne es sorgfältig und gut: In Roen Orm sind königliche Brüder weder Freunde noch Spielkameraden noch Familie. Thamar ist dein Feind, dein schlimmster, tödlichster Feind überhaupt. In wenigen Jahren ist er alt genug, um dich herauszufordern, und ihr werdet den traditionellen Kampf um den Thron beginnen. Der Gewinner dieses Kampfes wird der würdige zukünftige König sein. Er wird von Jahren des Kampfes, der Intrigen, der Suche nach Verbündeten gestählt sein, er wird wissen, dass er niemandem vertrauen darf, auch nicht der eigenen Familie. Der Thron von Roen Orm ist der gefährlichste Preis, den es auf der Welt zu erringen gilt! Wer schwach ist, Mitleid zeigt, zögert zu tun, was notwendig, der hat bereits verloren, Ilat. Willst du, dass dein Bruder dich tötet? Willst du den Kampf bereits verlieren, bevor er begonnen hat?“
     
    Ilats Bewusstsein kehrte zurück in die Gegenwart. Drei Tage lang hatte sein Vater ihn gefangen gehalten in der Dunkelheit, allein mit Schmerz und Angst, Scham, Hunger und Durst. Als er zurückgebracht wurde, war seine Seele zerstört. Nie wieder hatte er geweint, nie wieder hatte er gezögert, einen anderen Menschen zu quälen, zu erniedrigen, zu töten. Sobald er Gewalt gegen hilflose Opfer verübte, fand er Kraft in ihren Schreien und Tränen. Er besaß die Macht, sie leiden zu lassen, bevor sie ihm weh tun konnten!
    Ilat wusste tief in seinem Inneren, dass es falsch war, sich an den Wehrlosen zu vergreifen, er wusste, es war gegen jedes göttliche Gebot. Unentwegt nahm er sich

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