Söhne und Töchter des Feuers, Band Eins: Verbrannte Hoffnung (German Edition)
hebt sich und er schaut seinem Großvater tief in die Augen. „Sie ist meine Mutter. Und deine Tochter. Ich muss wissen, ob sie noch lebt oder nicht.“
„Und wenn sie noch lebt? Was dann?“
Mit Sprachlosigkeit reagiert er auf diese nicht ganz unberechtigte Frage seines Großvaters. Mit dieser Frage hat Ksilian offenbar nicht gerechnet. „Was meinst du?“
„Was glaubst du zu erreichen, wenn sie tatsächlich eine Eishexe ist?“
In Ksilians Gesicht ist deutlich die Enttäuschung über die Reaktion seines Großvaters zu erkennen. „Ich hole sie zu uns zurück. Zu mir und zu Qwotilia. Und auch zu dir“, verspricht Ksilian. Tränen laufen über sein Gesicht. Er streicht sich die dunkelblonden, verschwitzten Haare aus dem Gesicht, stützt seinen Ellenbogen auf den Tisch und legt seine Stirn in die rechte Hand.
„Du weißt, dass die Eishexen Handlanger der Feuerkönige sind. Beide sind die Überreste einer Zeit, in der die Mächte der Elemente über diese Welt herrschten. Vielleicht haben wir einige von Ihnen totgeschlagen, aber wenn du dich in ihr Reich begibst, wird das Spiel nach ihren Regeln gespielt und du wirst schneller an deine Grenzen geraten, als du ahnst.“
Die Worte seines Großvaters haben allerdings nicht die Wirkung auf Ksilian, die sich Qwotilian erhoffte. Er wischt sich die Tränen aus den rot unterlaufenen Augen, schnieft noch einmal kräftig und schaut seinen Großvater an.
Seine Stimme zittert noch immer: „Ich muss das für mich abschließen, Großvater. Verstehst du das?“
Qwotilian ist die Geschichte seines Volkes nur zu bewusst, als das er die Frage seines Enkelsohnes ruhigen Gewissens mit einem Nicken positiv beantworten könnte. Er weiß, das Ksilian alt genug ist, um für die Geschichten seines Großvaters kein Ohr mehr zu haben. Er hat die meisten Geschichten auch zu oft erzählt.
Nach kurzem Zögern und einen Blick in Ksilians verzweifelte Augen wagt er es dennoch: „Es war vor etwa siebenhundert Jahren, im Jahre 228 unseres Zeitalters. Die Nordberg-Eiserlinger waren, genau wie jedes andere Menschenvolk in Vylithien, in der Verantwortung, eine Flamme der Finsternis, die brennenden Überreste eines Feuerkönigs, vor dem Einfluss des Feindes zu schützen. Wir hatten die Verantwortung über die Flamme des Feuerkönigs Gathranox und glaubten, dass sie diese tief im Gebirge, in der mit mehr als zweitausend Soldaten bewachten Festung Baqilion Raaq vor den Blicken des Feindes verstecken konnten. Mit einer Armee aus Bergriesen und Finstertal-Trollen ist es den Eishexen und ihrem Gefolge aus Eismurrgs und Feuerschlangen gelungen, die Festung einzunehmen und die Flamme zu stehlen. Die Eishexen haben die Flamme zur Wiedererschaffung des Gathranox benötigt. Auf das Drängen der anderen Menschenvölker haben unsere Vorfahren fast ihre gesamte Armee tief in das Reich der Eishexen geschickt, um die Flamme zurückzuholen oder, wenn nötig, endgültig zum Erlöschen zu bringen. Fast viertausend Soldaten überschritten die Grenze ins Hexenland, nur dreihundert kehrten nach Miqilios zurück. Die Wiedergeburt des ersten Feuerkönigs konnte nicht verhindert werden. Es war dieses Ereignis vor so vielen Jahrhunderten, aus dem die Eishexen endgültig zu dem Erzfeind der Nordberg-Eiserlinger wurden.“
Kann ich verstehen, wenn mein Enkelsohn nach einem persönlichen Abschluss sucht und diese fürchterlichen Ereignisse aus seiner Kindheit verarbeiten möchte? Diese Frage kann Qwotilian für sich mit Ja beantworten. Verstehe ich es, wenn mein Enkelsohn in das Reich der Eishexen zur Befriedigung persönlicher Rachegelüste vordringen möchte? Die Lehren aus der Geschichte und seine persönlichen Erfahrungen müssten ihn diese Frage mit Nein beantworten lassen.
Nicht nur sein fortgeschrittenes Alter lässt seine Stimme zittern. „Versprich mir, den Moment zu erkennen, an dem der Zeitpunkt zum Rückzug gekommen ist.“
„Das werde ich“, antwortet Ksilian hoffnungsvoll.
Er will aufstehen, doch sein Großvater packt ihn am Arm. „Und versprich mir, deine Schwester keiner unnötigen Gefahr auszusetzen. Sie sollte hierbleiben.“
„Ich rede mit ihr“, antwortet ihm Ksilian, der ganz genau weiß, dass ihm seine Schwester bei einem solchen Abenteuer nicht von der Seite weichen würde. Er steht auf, küsst sein Großvater auf die kahle, runzlige Stirn und verlässt den Raum.
Qwotilian wünscht sich in diesem Moment, das all die Soldaten, die heute die Stadt gegen die Eishexen verteidigt haben,
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