Sofies Welt - Roman über die Geschichte der Philosophie
ein Tagebuch mit Schloss, auf dem stand: »MEINE PERSÖNLICHEN PHILOSOPHISCHEN AUFZEICHNUNGEN«.
Während nach und nach die Gäste eintrafen, servierte Sofies Mutter in hohen Weißweingläsern Apfelsaft.
»Willkommen! Und wie heißt der junge Mann?... Wir kennen uns wohl noch nicht ... Wie schön, dass du kommen konntest, Cecilie!«
Erst als alle jungen Leute sich eingefunden hatten – und mit ihren Weißweingläsern unter den Obstbäumen spazierten –, hielt der weiße Mercedes von Jorunns Eltern vor dem Gartentor. Der Stadtkämmerer trug einen korrekten, elegant geschnittenen grauen Anzug. Die gnädige Frau Ingebrigtsen steckte in einem roten Hosenanzug mit dunkelroten Pailletten. Sofie hätte schwören können, dass sie sich in einem Spielzeugladen eine Barbie-Puppe mit dieser Kleidung gekauft hatte. Und damit war sie dann zu einem Schneider gegangen und hatte sich genau so einen Anzug bestellt. Sofie war klar, dass es noch eine andere Möglichkeit gab. Vielleicht hatte der Stadtkämmerer die Puppe gekauft und sie dann zu einem Zauberer gebracht, der sie in eine Frau aus Fleisch und Blut verwandelt hatte. Aber diese Möglichkeit war so unwahrscheinlich, dass Sofie sie verwarf.
Die beiden stiegen aus ihrem Mercedes und kamen in den Garten, wo die jungen Gäste vor Verwunderung die Augen aufrissen. Der Stadtkämmerer höchstpersönlich überreichte ein langes und schmales Paket. Sofie versuchte, es mit Fassung hinzunehmen, als sich das Geschenk als – Barbie-Puppe herausstellte. Jorunn war außer sich:
»Seid ihr denn total bescheuert oder was? Sofie spielt doch nicht mehr mit Puppen!«
Frau Ingebrigtsen kam mit klirrenden Pailletten herangestürzt.
»Sie kann sie doch zur Zier aufstellen, Jorunn.«
»Ich sage jedenfalls tausend Dank.« Sofie versuchte, die Lage zu beruhigen. »Ich kann mir ja auch eine Sammlung zulegen.«
Die Gäste umkreisten inzwischen schon den Tisch.
»Jetzt fehlt nur noch Alberto«, sagte Sofies Mutter und es hörte sich ein bisschen aufgedreht an, so, als versuchte sie, eine leichte Besorgnis zu überspielen. Erste Gerüchte über den besonderen Gast waren unter den Gästen schon im Umlauf.
»Er hat versprochen zu kommen und dann kommt er auch.«
»Aber wir können uns doch sicher auch ohne ihn schon setzen?«
»Ja, setzen wir uns.«
Sofies Mutter fing an, die Gäste um den langen Tisch zu verteilen. Zwischen sich und Sofie hielt sie einen Platz frei. Dann sagte sie ein paar Worte über das Essen, über das schöne Wetter und darüber, dass Sofie jetzt fast eine erwachsene Frau war.
Sie saßen seit etwa einer halben Stunde am Tisch, als ein Mann mittleren Alters mit schwarzem Spitzbart und Baskenmütze den Kløverveien entlangkam und durch das Tor den Garten betrat. Er hielt einen großen Strauß mit fünfzehn Rosen in den Händen.
»Alberto!«
Sofie sprang auf und lief ihm entgegen. Sie fiel ihm um den Hals und nahm den Strauß. Er reagierte auf diesen Empfang, indem er anfing, in seinen Taschen herumzuwühlen. Er zog einige dicke Chinaböller hervor, die er anzündete und durch die Gegend warf. Auf dem Weg zum Tisch zündete er außerdem eine Wunderkerze an und steckte sie in die Spitze des Baumkuchens, ehe er an den freien Platz zwischen Sofie und ihrer Mutter trat.
»Es ist mir eine große Freude«, sagte er.
Die Versammlung war völlig verdutzt. Frau Ingebrigtsen warf ihrem Mann einen viel sagenden Blick zu. Sofies Mutter dagegen war so erleichtert darüber, dass der Mann sich endlich eingefunden hatte, dass sie ihm alles verziehen hätte. Das Geburtstagskind selber konnte nur mit aller Mühe ein glucksendes Lachen unterdrücken, das tief unten in ihrem Bauch rumorte.
Sofies Mutter tippte an ihr Glas und sagte:
»Heißen wir also auch Alberto Knox bei diesem philosophischen Gartenfest willkommen! Er ist nicht mein neuer Freund, denn obwohl mein Mann sehr viel auf See ist, habe ich zur Zeit keinen. Dagegen ist dieser seltsame Mensch Sofies neuer Philosophielehrer. Das heißt, er kann noch mehr als nur Chinaböller anzünden. Dieser Mann kann zum Beispiel ein lebendiges Kaninchen aus einem schwarzen Zylinderhut ziehen. Oder war es eine Krähe, Sofie?«
»Danke, danke«, sagte Alberto und setzte sich.
»Prost!«, sagte Sofie und jetzt hob die ganze Versammlung ihre Gläser.
Danach saßen sie lange nur da und aßen Hähnchen und Salat. Bis Jorunn plötzlich aufsprang, mit zielstrebigen Schritten zu Jørgen ging und ihm einen herzhaften Kuss auf den Mund gab.
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