Sohn Der Nacht
angetan hatte. Er fühlte sich nicht schuldig, nur herzlos.
Merrick stieß sich vom Stuhl ab und trat ans Fenster. Die Straße unterhalb des Hauptquartiers der Polizei war jetzt ruhig, die Ambulanz längst davongefahren. Als die Sanitäter eingetroffen waren, hatte Cooke das Bewußtsein zurücker langt. Sie hatten ihn in den rückwärtigen Teil des Krankenwa gens gebracht, wo er völlig erschöpft protestierte, als er sah, daß ihm sein Triumph entglitt. Rourke hatte ihm versichert, es sei nur für ein oder zwei Tage, die Ärzte sollten ein paar Tests durchführen, und wenn er wieder genesen sei, werde man noch mal darüber reden.
Merrick schloß die Augen und konzentrierte sich noch ein mal darauf, wie Cookes Gesicht ausgesehen hatte, als sie ihn auf die Trage gelegt hatten - verängstigt, ratlos, aber noch immer von dem Wunsch beseelt, wieder aufzustehen, den jüngeren Merrick auszustechen.
Das Telefonklingeln riß ihn aus seinen Gedanken. »Mord kommission Dritter Bezirk, Lieutenant Merrick.«
»Ich bin's, Katie. Ich bin im Hospital.« Sie sprach sehr leise, als fürchte sie, belauscht zu werden. »Ich brauche dich, Merrick. Kannst du mich hier abholen?«
Er erkannte sofort die Furcht in ihrer Stimme und spürte, wie sein Herz einen Schlag lang aussetzte und dann stotternd wieder zum Leben erwachte. »Natürlich.«
»Sag ... rechnest du damit... heute nacht Dienst tun zu müssen?« Ihre Stimme schwankte.
Hat Zane ihr irgend etwas angetan? Merricks Griff um den
Telefonhörer Verstärkte sich. »Katie, was ist los, was stimmt nicht?«
»Ich kann jetzt nicht reden«, sagte sie, »aber du mußt heute nacht bei mir bleiben - die ganze Nacht. Kannst du das tun?«
»Ja.«
»Gut.« Aus ihrer Stimme sprach nur wenig Erleichterung. »Ich warte dann auf dich im Schwesternzimmer der Station Ost-Drei. Bitte beeile dich.«
»Im Schwesternzimmer ...?« Warum traf sie sich nicht ein fach auf dem Parkplatz mit ihm?
»Merrick...?«
»Bin schon unterwegs.«
Zehn Blocks vom Hospital entfernt hielt Zane seinen Wagen an und warf das Blut und den Objektträger in einen Gully. Dann ging er zurück zum Wagen und setzte sich hinein, wäh rend seine Gedanken sich drehten. Er dachte an den Traum, an all diese Menschen, die blind nach ihm griffen.
Verdammte Katie!
Er mußte sie töten, sie aus dem Weg schaffen. Daß sie eine Probe seines Bluts besaß, hatte ihr das Leben gerettet - für einige wenige Stunden. Wenn er die Blutzellen an sich genommen und Katie sofort getötet hätte, hätte es Schlagzei len gegeben, die er nicht gebrauchen konnte: BLUTEXPER TIN NIEDERGEMETZELT, FREMDARTIGE ZELLEN GESTOHLEN.
Trotz allem mußte Zane Karies Nerven bewundern. Sie war clever gewesen - und sehr tapfer - ihn mit dem Telefon so zu bluffen.
Zane schüttelte den Kopf, noch immer halb im Schock wegen des Blutes. Katie hatte die Zellen seit dem ersten Mord. Warum war die Sache dann nicht in den Zeitungen erschie nen? Blut, das nicht zerstört werden kann, wird auf einem Mordopfer gefunden - konnte ein Police Departement ein sol ches Geheimnis bewahren?
Nein. Hier war deutlich Merricks Handschrift zu erkennen. Er mußte den Pathologen dahin gebracht haben, die Information zurückzuhalten. Ganz klar, Merrick hatte das Blut nicht selbst gefunden, sonst hätte niemand davon gewußt, aber er mußte dabeigewesen sein, als es dem Polizei pathologen aufgefallen war, und sofort für Schadensbegrenzung gesorgt haben.
Merrick saß mit Katie auf ihrer Couch im Wohnzimmer und hielt sie in den Armen. Er spürte eine hilflose Wut auf Zane in sich, der sie terrorisiert hatte - und jedesmal eine kalte Furcht, wenn er daran dachte, wieviel schlimmer es hätte sein kön nen. Zane hatte ihr ein Messer an die Kehle gehalten. Wenn er es durchgezogen hätte, wenn er Blut gesehen hätte ...
Katie sah ihre Mutter an, die steif aufgerichtet auf der Kante eines Schaukelstuhls saß, und dann Merrick. »Ihr glaubt mir doch, nicht wahr?« fragte sie. »Ich meine, daß der Mann - oder was immer es ist - unsichtbar war?«
Obwohl sie ihm im Auto auf dem Weg nach Hause alles erzählt hatte, verschlug es Merrick doch wieder den Atem. Ich sollte versuchen, sie davon zu überzeugen, daß sie sich das alles nur eingebildet hat, dachte er. Aber wenn ich Erfolg damit hätte, was dann? Sie würde glauben, daß sie dem Wahnsinn entgegenging.
»Ich glaube dir«, sagte er, »aber deshalb, weil ich an dich glaube. Ich weiß, wenn du sagst, daß es passiert ist, dann ist es
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