Soko Mosel
ging auf den kleinen Balkon hinaus, von dem er über die Lärmschutzwand an der Umgehungsstraße auf die Mosel mit dem kleinen Yachthafen sehen konnte. Außer dem gedämpften Rauschen des Verkehrs war es ruhig. Hier hatte Wieckmann wohl so manch einsame Stunde in seinem Rollstuhl verbracht. Sein Name stand auf der Liste der möglichen Autoinhaber, die der verschwundene FARMERS-Wachmann überprüft hatte. Danach war Walde dieser Spur gefolgt und ebenfalls verschwunden. Das konnte doch kein Zufall sein, dass ausgerechnet Wieckmann an eine vergiftete Zigarette geraten war!
Unten bogen zwei Polizeiwagen auf den Parkplatz zwischen den kleinen Rabatten mit Kugelakazien ein. Heraus stiegen vier Männer in Uniform, die ihre Mützen aufsetzten. Aus dem zweiten Wagen wuchteten zwei Zivilisten mehrere Aluminiumbehälter. Als sie zum Haus blickten, winkte ihnen Harry zu und deutete auf den Haupteingang.
Er ging ins Zimmer zurück und öffnete die Tür zum Flur. Die Seniorenwehr, bestehend aus einem halben Dutzend Männern, nahm Habachtstellung ein. Einer hielt eine altertümliche Pistole in der Hand.
»Sofort fallen lassen!«, schrie Harry ihn an.
Der Alte zuckte zusammen.
»Fallen lassen!«, wiederholte Harry und griff an sein Pistolenhalfter.
Der Vorderlader fiel krachend wie ein Stück Kaminholz auf den Linoleumboden. Wie auf Kommando wichen die anderen Männer gleichzeitig zurück.
Harry, immer noch die rechte Hand drohend unter der Jacke, zog die Pistole mit dem Fuß zu sich heran. Die primitive Waffe stammte wohl noch aus den napoleonischen Kriegen. Der Schlagbolzen fehlte.
»Jetzt gehen Sie Ihren Waffenschein holen.«
»Aber dafür brauche ich keinen.«
»Hat er schon mal jemanden bedroht?«, Harry wandte sich an die anderen.
Keiner der Männer sah ihn an.
Schwester Rita bog mit den Polizisten um die Ecke. Sie bedachte Harry mit einem giftigen Blick.
Dieser hielt ihm stand: »Bleiben Sie bitte, ich habe noch ein paar Fragen.«
»Aber ich habe noch zu tun.«
»Dauert nicht lange, warten Sie bitte hier«, er hob seine Stimme an: »Und für alle anderen gibt es nichts mehr zu sehen. Halten Sie sich im Aufenthaltsraum bereit, die Kollegen werden Ihnen ein paar Fragen stellen.«
Er drückte dem Rädelsführer eine Visitenkarte in die Hand: »Die Waffe können Sie nächste Woche bei mir im Präsidium abholen.«
Neben dem Bett mit Wieckmanns Leiche hielt Harry eine kurze Lagebesprechung ab. Die zwei Zivilen waren von der Spurensicherung. Bis der Gerichtsmediziner einträfe, sollten sie das Zimmer inspizieren. Die anderen Polizisten wurden mit der Befragung von Zeugen im Heim beauftragt.
Die Stationsleiterin hatte sich inzwischen nicht vom Fleck gerührt.
»Wo können wir uns in Ruhe unterhalten?«
»In meinem Büro«, sie deutete den Flur hinunter und schritt gleich forsch aus. Harry musste sich beeilen, sie einzuholen.
Auf einem Schreibtisch standen viele kleine Tablettenboxen, in deren Einbuchtungen etliche verschiedenfarbige Pillen lagen. Der Deckel eines großen, hölzernen Karteikastens war aufgeklappt. Am Telefon klebten gelbe Haftnotizen.
Harry setzte sich Schwester Rita gegenüber auf einen der beiden Besucherstühle: »Hatte Herr Wieckmann Angehörige?«
»Ich habe seine geschiedene Frau angerufen.«
»War sie öfter hier?«
»Nein, soviel ich weiß, hatten sie keinen Kontakt.«
»Kinder?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Wer kam ihn besuchen?«
Sie zog einen schmalen Brieföffner aus dem Stifteköcher und fuhr sich damit durch die Haare: »Bis auf einen Mann niemand. Ich kann das aber nicht genau sagen. Wir führen hier keine Bücher über Besucher. Jeder kann kommen, der erwünscht ist.«
Harry zückte einen kleinen Notizblock: »Können Sie mehr zu diesem Besucher sagen?«
»Er kam fast jede Woche. Meistens hat er ihn mit dem Wagen mitgenommen.«
»Wissen Sie, wohin?«
»Dr. Wieckmann hat manchmal von seinem großen Garten erzählt. Soll sehr schön sein, mehr weiß ich nicht.«
»Wie hieß der Besucher, kennen Sie seine Adresse?«
»Nein.«
»Wie sah er aus?«
»Mittelgroß, dunkle Haare, grau meliert, trug einen Vollbart«, sie tippte mit dem Brieföffner auf eine der Boxen. »Ende vierzig, er wirkte ziemlich sportlich.«
Harry schaute fragend.
»Er hatte so einen wippenden Gang«, fuhr sie fort. »Auch die Art, wie er den Herrn Dr. Wieckmann aus dem Wagen hob.«
»Was war das für ein Wagen?«
»Ein Kombi, ich glaube ein Renault, mit einer Schiebetür an der Seite.«
»Ein
Weitere Kostenlose Bücher