Soko Mosel
letzten Moment scharfkantigen Metallschnipseln aus, die vor ihm auf dem Weg lagen. Er sprang ab, vorsichtshalber schulterte er das Rad, um sich keinen Plattfuß einzufangen.
Hinter dem Tor des Schrottplatzes, das gerade so weit geöffnet war, dass er mit dem Rad durchschlüpfen konnte, sah sich Bob um. Was konnte die Firma FARMERS mit diesem Laden zu tun haben? In einem Chaos aus Altautos, Metallhaufen und Kleinlastern stand ein unverputztes Häuschen mit einem dick von Staub bedeckten Fenster. Darüber prangte in großen Lettern die Aufschrift BÜRO. Er lehnte das Rad neben die Stahltür und musterte die zwei verdreckten Typen, die wenige Meter entfernt mit einem laut zischenden Schneidbrenner einen Kessel auseinander schweißten.
Bob klopfte an die Tür und trat ein. Ein korpulenter Mann mit strähnigem Haar saß in einem hohen Drehsessel mit dem Rücken zur Tür. Vor ihm stapelten sich Papiere auf der mit Brandflecken übersäten Tischplatte.
»Tach, ich hab was für Sie.« Bob griff beim Gehen in den Rucksack.
Der Mann drehte sich nicht um: »Mir hann längst zu, komm morjen wieder«, der Mann blätterte einen Ordner durch.
»Ich lass das nur da«, Bob hielt das Paket mit der Nummer drei in der Hand.
»Wat is da drin?«, der Sitzende packte das Paket mit seinen großen Händen und hielt es ans Ohr. »Is da en Bomb drin? Will mich die Konkurrenz in de Luft jagen?«
»Das Paket ist von der Firma FARMERS, bitte quittieren Sie mir hier.«
»Ich unterschreib gar nix, bevor ich nit weiß, wat da drin iss.«
»Ich muss weiter, dann gucken Sie doch rein«, Bob hielt dem Mann ein Klemmbrett und einen Stift hin.
»Unn ich muss mein Steuererklärung machen, oder haste gedacht, ein Schrotti wär zu blöd dafür?«
»Keine Ahnung, weiß ich nicht.«
»Wat weißt du nit, willst de frech werden?«
»Nein, ich bin sofort weg, wenn Sie so freundlich wären«, Bob zeigte auf die Stelle auf dem Blatt, wo die Unterschrift hingehörte.
»Ich rauch den FARMERS-Dreck nit, komm, gib her«, er setzte seine Unterschrift auf das Blatt.
Bob eilte zur Tür. Hinter ihm wurde das Packpapier aufgerissen. Draußen schulterte Bob das Rad und trabte zum Tor zurück.
»Wat soll dat?«, rief der Betreiber des Schrottplatzes hinter ihm her. Bob passierte bereits das Tor und schwang sich, ohne sich noch einmal umzudrehen, in den Sattel.
Auf dem Weg zum Bahnhof hörte er Reggae, seine Lieblingsmusik, seine Abend-, seine Freizeit-, seine Leib- und Seelenmusik. Vor Jahren hatten ihm seine Freunde wegen seiner Leidenschaft für Bob Marley den Spitznamen Bob gegeben. Eigentlich hieß er Jürgen. Aber so nannte ihn inzwischen nur noch seine Mutter.
Das Auto stand einsam auf dem leeren Parkplatz an der Post. Bob spiegelte sich in den großen, dunklen Glasfenstern, als er das Rad auf dem Dach festschnallte und den Rucksack im Kofferraum verstaute, wo das Paket mit der Nummer vier lag. Er hatte sich damals selbstständig gemacht, um sein eigener Herr zu sein, um etwas zu tun, was ihm Spaß machte, sein Hobby zum Beruf machen. Pustekuchen, jetzt musste er abends noch nach Luxemburg düsen. Wer weiß, was dieser Dr. Hoffmann sich dort für ihn hatte einfallen lassen. Aber es würde bestimmt auch was zu erzählen geben. Verdammt, er musste seine Freundin anrufen!
*
»Es geht nach Luxemburg«, der Funktechniker stürmte die Treppe zur Galerie des Fastfood-Restaurants hinauf. »Der Kurier hat gerade telefoniert.«
»Auch das noch«, Baldo von Manstein saß, umgeben von seinem auf zwei Mann geschrumpften Stab, auf dem Thronstuhl. Er gab ganz und gar keine fürstliche Figur ab. »Zur Stadt Luxemburg?«
»Weiß ich nicht, er hat nur gesagt, er müsse noch nach Luxemburg.«
»Zu wem?«
»Er hat nur gesagt, nach Luxemburg.«
»Ich meine, mit wem hat er telefoniert?«
»Ach so, es war eine weibliche Stimme, jung, würde ich sagen, seine Freundin oder …«
»Das haben Sie gut gemacht. Versuchen Sie weiter Ihr Bestes«, von Manstein wandte sich seinem Kollegen zur Linken zu: »Wir werden in Luxemburg um Amtshilfe bitten.«
»Die werden sich freuen!«, rief der Techniker, der bereits wieder auf der Treppe war, »da ist heute ein Treffen der EU-Finanzminister.«
»Das hat uns noch gefehlt«, stöhnte von Manstein auf.
*
Der Arzt war inzwischen eingetroffen und untersuchte die Leiche. Harry schloss nach dem Betreten des Raumes so behutsam die Tür, als würde er eine Zeremonie stören. Die beiden Kollegen von der Spurensicherung stöberten im
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