Soko Mosel
Bürschchen. Der hat sich schon einiges zusammengereimt. Er meinte, wir hätten ein schlechtes Gewissen.«
»Da hat er nicht ganz Unrecht«, Staatsanwalt Blau schaute von der Akte auf. »So viel ich gehört habe, wollte Ihr Kollege, der dann plötzlich vom LKA abgelöst wurde …«
»Walde … Waldemar Bock«, ergänzte Monika.
»Der wollte schon beim ersten Auftauchen von manipulierten Zigaretten an die Öffentlichkeit gehen. Wie es aussieht, hätte in dem Fall mindestens ein Menschenleben gerettet werden können.«
*
Doris erster Gang war zum Anrufbeantworter. Keine Nachricht.
Sie stellte den Einkauf auf den Küchentisch. Waldes Lieblingskäse und schwarze Oliven waren dabei, sie räumte die Lebensmittel ein. Im Kühlschrank stand seit Tagen eine Flasche Kaseler Nieschen. Den wollten sie gemeinsam trinken. Seit neun Monaten waren sie nun schon zusammen. Es war keine Teenagerliebe, aber auch keine Affäre, die sie verband. Sie wohnten nicht zusammen, planten noch keine gemeinsame Zukunft. Sie waren ganz unkompliziert glücklich miteinander.
Was war los? Harry hatte gestern ratlos angerufen und nach Walde gefragt. Spätestens seit diesem Zeitpunkt wich ihre Wut der Sorge. Bis dahin hatte sie angenommen, es könnte etwas mit dieser Frau, dieser Karin, oder wie sie hieß, zu tun haben.
Das Telefon klingelte. Endlich! Sie nahm sich vor, ihm keine Vorwürfe zu machen.
»Hallo«, Doris klang gespannt.
»Hallo, hier ist Uli.«
»Oh, hallo Uli«, sie konnte die Enttäuschung nicht verbergen.
»Du hörst dich nicht gerade begeistert an.«
»Entschuldige, ich habe jemand anderen erwartet.«
»Nicht etwa Walde? Er ist gestern nicht zur Probe gekommen, hat aber nicht abgesagt. Zu Hause und bei der Arbeit ist er auch nicht. Weißt du, was los war?«
»Ich hab seit zwei Tagen nichts mehr von ihm gehört.«
»Sag ihm, wenn er wieder auftaucht, er soll sich bei mir melden.«
»Mach ich.«
»Okay, tschöh.«
Doris wusste, wie wichtig Walde seine Musik war. Wenn es sich irgendwie einrichten ließ, hielt er sich den Probeabend frei. Er war sicher noch mit dem neuen Fall beschäftigt, Urlaub und Suspendierung hin oder her.
Als am späteren Abend die Warnung vor den Zigaretten im Radio durchgegeben wurde, hielt sie es nicht mehr aus. Sie rief Harry an. Seine Mailbox war eingeschaltet.
*
Hinter Grevenmacher verlor Lorenz den Kontakt zu den deutschen Polizeifrequenzen. Die Nebenstrecken waren stark befahren, weil die Autobahn zwischen Hauptstadt und Flughafen für die Abreise der EU-Minister gesperrt worden war. Er drehte am Autoradio, um für die Verkehrsnachrichten einen luxemburgischen Sender einzustellen. Dabei streifte er einen deutschen Sender in dem Moment, als die Warnung des Polizeipräsidiums Trier durchgegeben wurde.
Er wusste sofort, was das bedeutete. Sein Freund Wieckmann hatte … Die Straße vor ihm verschwamm. Es war schon viele Monate her, dass er geweint hatte.
In einer Gasse hinter dem Bahnhof parkte Lorenz den Wagen vor einer Toreinfahrt. Den Schlüssel ließ er stecken. Im Koffer und in der Reisetasche steckte all das, was er nach fast fünfzig Jahren seines Lebens noch besitzen wollte, falls er die Chance für einen Neuanfang bekam.
Am Bahnhofskiosk kaufte er eine FINANCIAL TIMES. Er stopfte sie in eine Tasche seines über die Schulter gelegten Trenchcoats. Der erste Wagen in der Schlange am Taxistand war ein schwarzer Citroën. Der Fahrer verstaute das Gepäck im Kofferraum.
Lorenz stieg hinten ein und gab dem Fahrer in knappem Englisch ein Ziel in der Unterstadt an. Er schlug die Zeitung auf. Sofort schaltete der Fahrer hinten eine Deckenleuchte an.
*
Es war fünfte Anruf in wenigen Minuten. Monika warf einen entnervten Blick auf den Staatsanwalt, der sich noch tiefer in seine Akten vergrub.
Sie nahm den Hörer ab und sprach unmittelbar ins Telefon: »Es ist zwecklos, kein weiterer Kommentar.«
Am anderen Ende war es mehrere Sekunden lang still, dann wurde von einer weiblichen Stimme eine Entschuldigung gemurmelt.
Monika stutzte; sie fragte sich, seit wann die Presse sich für ihre Aufdringlichkeit entschuldigte.
»Ich bin nicht von der Presse, mein Name ist Doris Morgen. Ich wurde an Sie weiterverbunden, weil in Waldes, in Herrn Bocks Abteilung, eh, ehemaliger Abteilung, niemand anzutreffen war.«
»Kann ich etwas für Sie tun?«
»Ist Harry in der Nähe?«
»Sind alle ausgeflogen.«
»Haben Sie inzwischen was von Walde gehört?«
»Leider nein«, Monika ging ans Fenster,
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