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Sokops Rache

Sokops Rache

Titel: Sokops Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Lohmeyer
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Türfront erlaubt jedoch einen Blick ins Innere, wo eine kahlköpfige Schaufensterpuppe im Surfanzug, ein Display mit Sonnenbrillen, ein Angelrutenständer und voll gestopfte Metallregale auszumachen sind. Henry wirft seinen Zigarettenstummel ins Hafenbecken und drückt die Tür auf.
    Eine ohrenbetäubende akustische Flutwelle brandet dem Eintretenden entgegen – krachende Gitarren, zwerchfellerschütternder Bass, grabestiefer Gesang. Hinter dem Ladentisch, zwischen einem Aufsteller mit Schlüsselanhängern und einer Vitrine mit Messern, Kompassen und irgendwelchen nautischen Instrumenten, sieht Henry einen großen Blonden in einem zu bunten Hemd mit Dreitagebart und Wallehaaren. Der sitzt auf einem Barhocker und spielt mit seinem Handy. Er blickt auf und taxiert seinen mutmaßlichen Kunden mit bestürzend blauen Augen. Paetow, kein Zweifel. Henry hat begonnen, sich an ihn zu erinnern, assoziiert inzwischen einen Opel Ascona, einen VW Passat und einen Audi 100 mit dem damaligen Käufer. Damals waren die Haare kürzer und er war glatt rasiert gewesen. Doch die Augen stimmen und auch der muskulöse, trainierte Körper. Henry nickt ihm zu, spart sich eine weitere Begrüßung, die der andere über den Lärm hinweg ohnehin nicht hören würde. Paetow wendet den Blick zurück auf sein Telefon. Henrys Anspannung, ob der Wikinger ihn als den Autobetrüger von damals wiedererkennen wird, weicht.
    Die Eingangstür auf der anderen Ladenseite öffnet sich und zwei Halbwüchsige schlendern herein, beäugen die ausgestellten Surfboards, ziehen Badeshorts aus den Regalen, halten sie sich grinsend vor den Körper, probieren Basecaps, lungern herum und strahlen Mutwilligkeit aus. Henry stellt sich an den Ständer mit den Sonnenbrillen, beobachtet, wie der Ladeninhaber ihn und gleichzeitig die Kids nicht aus den Augen lässt. Im selben Moment klingelt Paetows Handy. Er nimmt das Gespräch an und dreht sich zur Musikanlage im Regal hinter ihm um. Der Death Metal nagt um eine Nuance leiser an den Trommelfellen. Henry blickt zu den beiden Jungs, die einen Blick tauschen, der nichts Gutes ahnen lässt.
    Bevor er begreift, was geschieht, lässt Paetow sein Telefon fallen, langt nach unten und setzt mit einem gewaltigen Sprung aus dem Stand über den Tresen, einen Baseballschläger in der Faust. Die beiden dort hinten am Regal erstarren für einen Sekundenbruchteil, dann sprinten sie los und kommen direkt auf Henry zu. Ohne nachzudenken streckt er ein Bein aus. Der Erste stolpert, sein Kumpel kann nicht mehr bremsen, fällt über ihn und beide liegen als fluchendes Knäuel direkt vor der Ladentür zum Hafen. Schon ragt der Wikinger über ihnen auf. Die Baseballkeule lüpft die Jacke des einen. Ein buntes Shirt mit dem Logo eines amerikanischen Herstellers kommt, in den Hosenbund geknüllt, zum Vorschein. Paetow zieht den Dieb auf die Füße, presst den zwei Köpfe Kleineren an das Glas der Tür. Noch immer ist die Musik so laut, dass Henry nicht hört, was er dem Jungen entgegenzischt. Der ist völlig verschüchtert, reißt voller Entsetzen die Augen auf. Paetow nickt majestätisch, hebt noch einmal die Keule und die beiden Möchtegern-Langfinger quetschen sich, mit abgewandtem Blick, durch die Tür. Draußen beginnen sie zu rennen.
    »Danke, Mann.« Paetow steht, kaum außer Atem, vor ihm und streckt ihm die Hand entgegen. Henry schlägt ein, noch immer beeindruckt von der Auffassungsgabe und Reaktionsschnelle des anderen.
    »Du hast was bei mir gut.« Paetow hebt das Shirt vom Boden auf, faltet es geschickt zusammen und bringt es zurück an seinen Platz. Henry versucht, sich seine Freude nicht anmerken zu lassen, wartet darauf, was Paetow anbieten wird. Sein Plan, näher an den Wikinger heranzukommen, scheint aufzugehen.
    »Pass auf.« Paetow mustert ihn einen Moment lang aufmerksam. »Komm heute Abend ins  New Orleans . Ich lade dich zum Essen ein.«
    Im Strom der Freitagabendflaneure und Wochenendurlauber, die am Lohberg aushängende Speisekarten studieren oder Fassaden fotografieren, steuert Henry auf das  New Orleans  zu. So manche Hausfrau hat sich dort nach der Wende ihr Haushaltsgeld aufgebessert, erinnert er sich. Nun ist das ehemalige verdeckte Bordell ein normales Restaurant, mitten in der Touristeneinflugschneise zwischen Altem Hafen und Altstadt, direkt an der Frischen Grube, dem Wismar durchziehenden, schmalen Wasserlauf. Bevor er die Tür aufdrückt, holt er tief Atem. Mit dem Restrisiko, dass Paetow ihn doch noch

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