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Sokops Rache

Sokops Rache

Titel: Sokops Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Lohmeyer
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schnell, wie er es möchte, wird er sie nicht loswerden. Doch hier, an diesem Ort, an dem er noch viel vorhat, will er weder mit ihr zusammen gesehen werden noch ihr seine Aktivitäten offenbaren. Er hat ihr schon mehr als genug Einblick gewährt. Im Gefängnis wollte er durch Kooperation die Entscheidung über seine Haftaussetzung zur Bewährung positiv beeinflussen. Unter der Bedingung, dass weder sein richtiger Name noch ein Foto von ihm veröffentlicht werden würde, verschaffte ihm das Erzählen, dieses Schürfen in seinem Leben sogar Erleichterung. Die Besuche der Journalistin stellten willkommene Unterbrechungen des Haftalltags dar, dieses Wartens ohne Inhalt, in dem jede Stunde gefühlte fünf Stunden dauerte. Es wirkte, als hätte sie ehrliches Interesse an seinem Fall; sie schien die Einzige zu sein, mit der er sich gefahrlos unterhalten konnte, da sie ihn weder überführen, verurteilen, noch therapieren wollte. Nun bereut er jede Silbe, die sie von ihm erfahren hat.
    »So ein Zufall.« Ihre matschbraunen Augen unter dem Karottenpony strahlen ihn an.
    »Schön, dich zu sehen.«
    Sie ringt nach Worten, lächelt verlegen. »Ja, finde ich auch, Henry.« Beinahe andächtig haucht sie seinen Namen, weiß anscheinend nicht, wohin mit ihren Händen. Er packt sie am Oberarm, dirigiert sie hinüber auf die andere Straßenseite.
    »Komm, ich lade dich auf einen Kaffee ein.«
    In der  Bar am Kai,  zwei Türen neben Paetows Laden, sitzen sie an einem Tisch direkt am Wasser, um sie herum junge Leute, plaudernd, lesend oder in ihren Laptop vertieft. Paetows Geschäft nebenan schließt samstags um 12, weiß Henry. Keine Gefahr also, ihm an diesem Ort zu begegnen, den er abfällig als  Treff für Studentenschwuchteln  bezeichnet hat. Auf der anderen Seite des Hafenbeckens umlagern Scharen von Touristen die Fischkutter. Die erstaunlich kräftigen Strahlen der Aprilsonne streuen Diamanten auf das Wasser.
    »Du bist also noch immer an dieser Reportage dran.« Er nippt an seinem Espresso, Sonja kippt aus einem kleinen Glas Cognac in ihren Kaffee und rührt länger als notwendig um.
    »Klar, ich will ja nicht nur eure Geschichte bis zur Entlassung porträtieren. Gerade wie sich nach so langer Zeit das Leben in Freiheit für euch gestaltet, ist interessant.«
    Henry ist innerlich zusammengezuckt bei dem  euch  und
eure . Weder sieht er sich als Mitglied irgendeiner fiktiven Gruppe Krimineller, noch hat diese naive Journalistin das Recht, ihn auf diese Art zu vereinnahmen.
    »Aber ich wollte dich auch aus einem anderen Grund wieder sehen.« Sie leert ihre Tasse in einem Zug und setzt sie so ungestüm ab, dass ihr Löffel über die Tischplatte schlittert.
    Henry rollt sich eine Zigarette, entzündet sie, atmet tief ein und bläst den Rauch in Sonjas Richtung.
    »So.« Er lächelt nicht; auf seiner Stirn vertiefen sich die beiden Falten zwischen den Brauen. Sonja knetet das Zuckertütchen, das er nicht verwendet hat. Am liebsten würde er es ihren Fingern entwinden; das leise schabende Geräusch tut ihm fast körperlich weh.
    »Es ist so …« Ihr rundes Gesicht, das sie, wenn sie lacht, wie einen vergnügten Clown wirken lässt, ist zu einer angestrengten Miene der Konzentration geschrumpft. »Ich habe, also ich meine … Wir kennen uns nun schon seit einem Jahr. Ich … mir ist es schon recht lange klar, dass ich für dich mehr empfinde als journalistisches Interesse.« Sie hält inne, schnappt nach Luft, sprudelt weiter. »Das kommt für dich sicherlich sehr plötzlich. Du brauchst jetzt auch erst einmal gar nichts sagen. Es ist nur so … ich habe mich ernsthaft in dich verliebt.«
    Henry würde diese Allerweltsfrau, die mit aller Macht ihrem Allerweltsfrausein etwas entgegensetzen will – und seien es auch nur Karottenhaare und Kontakte mit Kriminellen – gerne von sich abstreifen wie ein lästiges Insekt. Aber mit Insekten muss man vorsichtig sein, selbst der Biss heimischer Arten kann tödlich sein. Er kaschiert also seinen Impuls, überlegt blitzschnell, was zu tun ist.
    »Noch einen?« Er deutet auf ihre Tasse. Drüben auf der Wasserstraße fährt ein Streifenwagen mit Blaulicht und ausgeschalteter Sirene. Henry nimmt es als Warnung.
    »Hör mal Sonja. Deine Gefühle ehren mich, aber ich erwidere sie nicht. Und zurzeit habe ich andere Dinge im Kopf als deine Interviews.« Er winkt der Kellnerin und bestellt noch einmal dasselbe.
    »Nimm es mir nicht übel, ich muss mein Leben jetzt ganz neu in die Hand nehmen.

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