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Solang die Welt noch schläft (German Edition)

Solang die Welt noch schläft (German Edition)

Titel: Solang die Welt noch schläft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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heruntergekommen, wenn ich das sagen darf. In diesem Fall würde meine Kanzlei Ihnen beim Verkauf gern behilflich sein. Und bei der Anlage der erzielten Gelder stünden wir auch mit Rat und –«
    Josefine stand auf, bevor der Anwalt weitersprechen konnte. »Das ist sehr freundlich von Ihnen«, sagte sie. »Aber ich werde Friedas Erbe in ihrem Sinn antreten.« Und dabei brauchte sie weiß Gott niemanden, der ihr Vorschriften machte.
    Kleine Staubflusen tanzten in der Maisonne, als Josefine Friedas Haus aufschloss. Claras Angebot, sie zu begleiten, hatte sie abgeschlagen. Das hier wollte sie allein tun.
    Zögerlich blieb sie im Türrahmen stehen, atmete tief den altbekannten Geruch des Hauses ein. Die leichte Säure, die von den eingelagerten Äpfeln im Keller emporstieg. Ob sie noch genießbar waren? Dazu die schimmelige Fäule der alt gewordenen Lagerkartoffeln. Auch die Veilchenseife, die Frieda immer so gern benutzt hatte und von der ein schmaler blasslila Keil neben dem Spülstein lag, verströmte noch einen Hauch von Duft. Alles roch wie immer. Und doch war alles anders. Was fehlte, war das Parfüm von Friedas Leben: der Duft nach Eierpfannkuchen und ausgelassenem Speck, die würzige Note des Rotweins, den sie so gern trank. Was fehlte, war der Geruch der Leberstückchen, die sie für Mäusle gebraten hatte. Und der beißende Geruch von Friedas Ölfarben.
    Mit hochgezogenen Brauen schaute Josefine auf den großen Fliederstrauß, den Clara wohlmeinend auf den Küchentisch gestellt hatte. Frieda hätte es nie übers Herz gebracht, dem alten Fliederbusch auch nur einen Wedel abzuschneiden. Ihrer Ansicht nach gehörten Blumen in den Garten und nicht ins Haus.
    Im nächsten Moment sah Jo einen Schatten auf dem Boden an sich vorbeihuschen. Es war Friedas Katze, die sich hungrig miauend vor dem alten Herd aufbaute. »Nun komm schon«, schien ihr fordernder Blick zu sagen.
    Endlich betrat Josefine das Haus. Auf der Suche nach etwas, womit sie die Katze füttern konnte, fand sie auf dem Boden neben der Spüle eine halbvolle Milchflasche. Wahrscheinlich hatte Clara sie für die Katze besorgt. Sie schenkte dem Tier ein paar Schlucke in seinen Napf, dann ging sie zu dem Sofa, dessen weinroter Samtbezug schon vor Jahren verblasst war. Frieda hatte eine gehäkelte Decke darübergeworfen. Sie bestand aus lauter grauen, braunen und beigefarbenen Quadraten und war im Laufe der Zeit, wann immer Frieda Wolle vom Sockenstricken übrighatte, um ein paar Quadrate mehr angewachsen.
    Sehnsuchtsvoll seufzend schmiegte Josefine ihre Wange an die Decke. Sie roch staubig und alt. Und ein wenig nach Frieda …
    Außer dem gierigen Milchschlecken der Katze war nichts zu hören. Josefine konnte sich nicht daran erinnern, jemals eine solche Stille wahrgenommen zu haben. Keine dröhnenden Maschinen. Keine schwatzhaften Mitbewohnerinnen. Kein Hammerschlag auf Eisen. Ob sie sich jemals an diese Ruhe würde gewöhnen können? Und ob! Sie lächelte. Dann zog sie den Brief, den der Notar ihr mitgegeben hatte, aus ihrer Tasche. Bitte erst lesen, wenn du in meinem – oder besser gesagt deinem  – Haus angekommen bist. Josefine nickte. Ja, sie war angekommen. Vorsichtig ritzte sie den Umschlag auf. Noch bevor sie anfing zu lesen, sprang die Katze mit größter Selbstverständlichkeit auf ihren Schoß und begann dort, sich ausgiebig zu putzen.
    Liebe Josefine, wie gern wäre ich bei dir, würde dir einen Tee kochen und etwas Gutes zu essen. Aber der liebe Gott hatte andere Pläne für mich. Wer bin ich, das zu hinterfragen? Und du solltest das auch nicht tun. Vielmehr solltest du deinen Blick nach vorn richten. Es gibt viel zu tun! Das Haus, der Garten, Roberts alte Werkstatt – alles wartet darauf, von dir zu neuem Leben erweckt zu werden. Tu dir keinen Zwang an! Wirf weg, was dir nicht mehr gefällt. Oder besser noch, verschenke es an Bedürftige, davon gibt es in Berlin schließlich mehr als genug. Keine Sorge, du hast genügend Geld, um dir alles neu und schöner und besser kaufen zu können. Von nun an soll es dir an nichts mehr mangeln. Du bist eine wohlhabende junge Frau, Josefine! Es gibt Geld, von dem niemand etwas weiß – weder Notar Langbein noch mein Neffe Joachim. Ich wollte das so. Du findest dein Startkapital in der bauchigen Blumenvase, die oben auf dem Kaminsims steht. Du weißt schon, die, deren Henkel abgebrochen ist. Als Kind hast du sie immer besonders gern gemocht, weil sie so schön bunt ist.
    Sanft hob Josefine die

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