Solang die Welt noch schläft (German Edition)
Isabelle lachte und schäkerte mit den jungen Herren und ließ kaum einen Tanz aus. Auch seine Gattin Jeanette, die ehemalige Grande Dame des Berliner Balletts, amüsierte sich bei diesen Festen prächtig – würde es nach den beiden gehen, könnte Isabelle ihr Spiel noch Jahre so weitertreiben. Aber nicht mit ihm. Er hatte die Nase voll! Er wollte Ergebnisse sehen.
Dabei ging es ihm weiß Gott nicht darum, seine Tochter unter die Haube zu bekommen und baldmöglichst ein Enkelkind auf dem Schoß sitzen zu haben. Oder gar darum, einen Versorger für sein einziges Kind zu finden. Er, Moritz Herrenhus, hatte selbst Geld im Überfluss. Dass es möglich war, mit Schürzen und langen Unterhosen solch ein Vermögen anzuhäufen, wie er es in den letzten Jahren getan hatte – davon hatte er in jungen Jahren nicht einmal zu träumen gewagt. Geschäftlich hatte er viel erreicht, gewiss. Aber Geld war das eine – gesellschaftliches Ansehen jedoch etwas anderes. Seinen Namen in einem Atemzug mit den Krupps, Rothschilds und Neumanns genannt zu hören – das war es, was er anstrebte! Und da Geld nicht das Mittel zum Zweck war, blieb ihm nur der Weg über die bestmögliche Verheiratung seiner Tochter.
Erneut wanderte Moritz Herrenhus’ Blick zur großen Standuhr neben der Rezeptionstheke. Halb zwei. Seinem Empfinden nach war es eher fünf nach zwölf!
Mit erzwungener Ruhe bat Herrenhus einen der Hotelpagen, ihm einen Kaffee zu bringen. Seine Erleichterung war groß, als er Gottlieb Neumann kurz vor zwei endlich das große Eingangsportal heraufhasten sah.
»Ein Feuer in der Französischen Straße, für Droschken war kein Durchkommen mehr, ich musste das letzte Wegstück auf Schusters Rappen zurücklegen«, sagte der Elektrofabrikant statt einer Begrüßung. Weitere Worte der Entschuldigung kamen ihm trotz einstündiger Verspätung nicht über die Lippen – unglaublich! Gleich drei Pagen sprangen herbei, um dem Großindustriellen Zylinder und Mantel abzunehmen. Bei ihm hatte sich lediglich einer der livrierten Burschen bemüht, ärgerte sich Herrenhus. Lässig sagte er: »Es gibt Dinge, die wir nun einmal nicht beeinflussen können, andere hingegen schon.« Er wartete, bis sich sein Gegenüber gesetzt hatte, dann fügte er hinzu: »Wie ich höre, ist Ihre EWB durch die Übernahme der Mayer’schen Maschinenfabrik in gewisse … monetäre Nöte geraten?« Genüsslich rührte er dabei seinen Kaffee um.
Gottlieb Neumanns Mundwinkel zuckten fast unmerklich. »Ich sehe, Sie reden nicht um den heißen Brei herum«, erwiderte er barsch. »Dann werde ich es auch nicht tun! Tatsache ist: Ich brauche Geld und Sie haben welches. Und allem Anschein nach sind Sie bereit, es in die EWB zu investieren. Die Frage ist nur – möchte ich Ihren … Preis bezahlen?«
Moritz Herrenhus’ Lächeln wirkte gelöst, als er sagte: »Wer redet denn hier von einem Preis ? Ich würde viel eher von einem Zugewinn für Sie und Ihre Familie sprechen!« Er trank einen Schluck lauwarmen Kaffee, bevor er fortfuhr: »Man erzählt, Ihr Sohn hätte sein Wirtschaftsstudium mit summa cum laude abgeschlossen. Als stolzer Vater können Sie es bestimmt kaum erwarten, dass er in Ihre Firma eintritt und die Familientraditionen fortführt. Und dass er eine Familie gründet, die Ihren Namen in die nächste Generation trägt …«
Der Großindustrielle runzelte die Stirn, dann sagte er abfällig: »Ach, daher weht der Wind. Hätte ich mir ja denken können. Ihre Tochter und mein Sohn.«
Moritz Herrenhus’ Brauen hoben sich.
»Warum nicht? Wer Isabelle bekommt, kann sich glücklich schätzen.«
»Genauso wie Sie sich glücklich schätzen würden, durch die Heirat unserer Kinder endlich in gewisse Kreise aufzusteigen?« Der Spott in Neumanns Stimme war nicht zu überhören, doch Moritz Herrenhus störte sich nicht daran.
»Und wenn es so wäre?« Er machte eine beiläufige Handbewegung.
»Aber …« Angesichts seiner erbarmungslosen Offenheit begann Gottlieb Neumanns bemüht beherrschte Fassade zu bröckeln. »Adrian ist ein kluger junger Mann – scharfsinnig, aufgeweckt. Würde ich auch nur andeutungsweise versuchen, ihn in dieser Angelegenheit beeinflussen zu wollen, würde er mir auf die Schliche kommen!«
»Warum die Sache nicht offen handhaben? Sagen Sie Adrian doch einfach, wie die Dinge liegen. Jeder kann sich einmal verspekulieren, das wird Ihr aufgeweckter Sohn gewiss verstehen.« Moritz Herrenhus grinste. »Ich für meinen Teil wäre gern
Weitere Kostenlose Bücher