Solange am Himmel Sterne stehen
sie im Sterben lag, aber stattdessen hielt sie mich nach wie vor auf Distanz. Als sie mir auf ihrem Sterbebett sagte, dass sie mich liebte, fühlten sich die Worte nicht echt an. Ich wollte glauben, dass sie so empfand, aber ich wusste, dass sie in ihren letzten Momenten vermutlich nur benommen war und unter Wahnvorstellungen litt und dachte, sie würde mit einer ihrer zahllosen Männerbekanntschaften reden. »Ich stand meiner Großmutter immer weitaus näher als meiner Mom«, sage ich zu Gavin.
Gavin legt mir eine Hand auf die Schulter. »Es tut mir leid, dass du sie verloren hast, Hope«, sagt er. Ich bin mir nicht sicher, ob er meine Mutter oder Mamie meint, denn in vielerlei Hinsicht sind sie beide nicht mehr da.
»Danke«, murmele ich.
Als er ein paar Minuten später mit einem Strudel in einer Schachtel geht, starre ich ihm nach, während mein Herz hart in meiner Brust hämmert. Ich weiß nicht, warum er offenbar an mich glaubt, wenn ich es selbst nicht mehr tue. Aber ich kann mich jetzt nicht damit befassen. Ich muss eine dringlichere Angelegenheit in Angriff nehmen: die Pläne der Bank, meinen Kredit aufzukündigen. Ich reibe mir die Schläfen, stöpsele den Wasserkocher ein und setze mich an einen meiner Cafétische, um die Unterlagen zu lesen, die Matt mir gegeben hat.
5
»Ich muss mit dir reden.«
Es ist eineinhalb Wochen später, und ich stehe auf Robs Türschwelle – meiner alten Türschwelle –, die Arme vor der Brust verschränkt. Jetzt schaue ich meinen Exmann an, und das Einzige, was ich sehe, ist Verletztheit und Verrat; es ist, als wäre der Mensch, in den ich mich einmal verliebt habe, vollständig verschwunden.
»Du hättest anrufen können, Hope«, sagt er. Er bittet mich nicht herein; er verharrt im Türrahmen, ein Wachmann an dem Tor zu einem Leben, das hinter uns liegt.
»Ich habe angerufen«, sage ich mit Nachdruck. »Zweimal zu Hause und zweimal in deinem Büro. Du hast mich nicht zurückgerufen.«
Seine Miene bleibt abweisend. »Ich hatte viel um die Ohren. Ich hätte mich schon noch gemeldet.« Er verlagert sein Gewicht auf die linke Körperhälfte, und einen Moment lang habe ich das deutliche Gefühl, dass er traurig aussieht. Dann ist alle Emotion aus seinem Gesicht gewichen, und er sagt: »Was brauchst du?«
Ich hole einmal tief Luft. Ich hasse es, mich mit Rob zu streiten; ich habe es schon immer gehasst. Einmal hat er zu mir gesagt, es sei gut, dass er der Anwalt geworden sei, während ich aufhörte, um das Baby großzuziehen. Du weißt nicht, wie man kämpft , hat er gesagt. Du musst diesen Killerinstinkt in dir tragen, wenn du dich im Gerichtssaal durchsetzen willst . »Wir müssen über Annie reden«, sage ich.
»Was ist mit ihr?«, fragt er.
»Na ja, zum einen müssen wir uns über die grundsätzlichen Regeln verständigen. Sie ist zwölf. Sie sollte nicht geschminkt zur Schule gehen. Sie ist ein Kind.«
»Gott, Hope, ist das alles, worum es geht?« Er lacht, und ich wäre beleidigt, wenn ich nicht wüsste, dass das nur ein Teil der Strategie ist, die er regelmäßig gegenüber Anwälten und Zeugen der Gegenseite anwendet. »Mein Gott, sie ist fast ein Teenager. Du kannst sie nicht ewig als kleines Mädchen behalten.«
»Das versuche ich auch gar nicht«, sage ich. Ich hole einmal tief Luft, kämpfe darum, nicht die Beherrschung zu verlieren. »Aber ich versuche, ihr ein paar Grenzen zu setzen. Und wenn ich sie setze und du sie untergräbst, dann lernt sie gar nichts daraus. Und hasst mich letztendlich nur.«
Rob lächelt, und vielleicht würde ich mich herablassend behandelt fühlen, wenn ich nicht in endlosen Nächten während unserer Ehe beobachtet hätte, wie er dieses strategische Grinsen vor dem Spiegel einstudierte. » Darum geht es also«, sagt er. Ah ja, die Rob-Smith-Argumentationstaktik Nummer zwei: tu so, als wüsstest du genau, was die andere Person denkt – und als wärst du ihr bereits weit voraus.
»Nein, Rob.« Ich kneife mich in den Nasenrücken und schließe für eine Sekunde die Augen. Entspann dich, Hope. Lass dich gar nicht erst darauf ein . »Es geht darum, dass unsere Tochter zu einer anständigen jungen Frau heranwachsen soll.«
»Einer anständigen jungen Frau, die dich nicht hasst«, ergänzt er. »Vielleicht solltest du ihr einfach ein bisschen Freiraum dafür lassen, sie selbst zu sein, Hope. Genau das tue ich nämlich.«
Ich funkele ihn an. »Nein, das tust du nicht. Du versuchst bloß, der coolere Elternteil zu sein, sodass es an
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