Solange, bis ich dich finde: Roman (German Edition)
lauter Nachdenken habe ich ganz vergessen, bei meinen Aufräumarbeiten weiterzumachen. Gerade, als ich weitermachen möchte, klingelt mein Telefon.
„Hallo?“
„Hallo, hier spricht noch einmal Hillings von der Katner Company. Das geht klar. Sie können nächste Woche einziehen, wenn es Sie nicht stört, dass die Heizungen und ein paar Türen, die kaputt sind, ausgetauscht werden müssen. Außerdem wird ein neuer Stromzähler angeschlossen.“
„Das ist alles gar kein Problem“, entgegne ich ihm.
„Frau Aurelius, beim Durchgehen Ihrer Unterlagen, die Sie unterschrieben Frau Krause zurückgegeben haben, ist mir aufgefallen, dass wir noch keine Kopie Ihres Ausweises haben.“
„Oh, diesen Punkt muss ich wohl übersehen haben. Das tut mir leid. Brauchen Sie den Ausweis dringend?“
„Das können wir bei der Schlüsselübergabe nächste Woche erledigen.“
„Werden Sie bei der Schlüsselübergabe dabei sein?“, frage ich ihn plötzlich und weiß nicht, was mich geritten hat, diese Frage zu stellen.
Es ist ganz ruhig am anderen Ende der Leitung. Zum Glück sieht er mich nicht, wie ich gerade im Erdboden versinke.
„Vielleicht“, antwortet er mit leicht irritierter Stimme.
„Gut, dann kann ich Ihnen den Personalausweis geben“, sage ich daraufhin und merke, wie dieses Gespräch mittlerweile in eine peinlichen Situation übergegangen ist.
„Ihren Personalausweis brauche ich nicht. Nur eine Kopie davon“, sagt dieser Mann und irgendwie spüre ich, wie auch er gerade damit zu kämpfen hat, den Faden wiederzufinden.
„Natürlich, nur die Kopie von ihm, also vom Personalausweis.“
„Frau Aurelius, ich sehe Sie also nächste Woche. Ist Mittwoch um 15 Uhr für Sie in Ordnung?“
„Ja absolut. Ich bin dann da mit der Kopie.“
Nachdem wir unser Gespräch beendet haben, muss ich mich erst einmal in die Couch hineinfallen lassen. Was war das denn? Und wie viele Male habe ich diesen Personalausweis erwähnt? Ich weiß gerade nicht, was mit mir los ist. Wo ist mein Handy? Ich muss unbedingt mit Anna sprechen.
„Hallo, ich bin es, Lea, wir müssen reden.“
„Heute Abend noch?“, fragt Anna.
„Hast du denn Zeit? Das wäre wunderbar.“
„Ja, mein Mann kommt heute früher nach Hause und wird auf die Kinder aufpassen können. Gehen wir in Marcos Bar? Wie immer?“
„Ja, egal wohin. Bis heute Abend“, antworte ich und lege auf.
„Oh, hallo Lea, hallo Anna, lasst mich raten ... Ihr wollt ein Martini.“
„Hallo Marco, du hast Recht, für mich bitte einen Martini“, antworte ich.
„Für mich einen Orangensaft bitte“, sagt Anna.
„Also sag schon, was ist los? Ich habe schon nach der Theatervorstellung letztes Mal gespürt, dass du was hast.“
„Es gibt einen Mann.“
„Wusste ich es doch.“
„Nein, es ist nicht so, wie du denkst. Ich kenne ihn nicht und trotzdem kann ich seinetwegen kaum noch essen. Ich schlafe oft nächtelang nicht durch und manchmal halte ich dieses Gefühl, dass ich ihn nicht sehe, kaum aus.“
„Du kennst ihn nicht? Dann lerne ihn kennen und wieso gehst du nicht einfach zu ihm, wenn du ihn sehen möchtest?“
„Anna, es ist viel komplizierter, als du denkst. Wir sind uns zum ersten Mal im Zug begegnet und danach noch kurz im Theater. Seither ist er wie vom Erdboden verschluckt. Ich weiß gar nichts von ihm, nicht einmal seinen Namen.“
„Oh, das ist wirklich kompliziert. Was willst du jetzt machen?“
„Vielleicht hast du ja eine gute Idee. Ich bin am Ende. Jeden Tag hoffe ich, ihm zu begegnen. Und mit jedem Tag, der vergeht und an dem ich ihn nicht sehe, wird mein Verlangen nach ihm größer. Ich habe so etwas noch nie für jemanden empfunden, den ich eigentlich gar nicht kenne.“
„Das liegt bestimmt an deiner Trennung mit Daniel. Du sehnst dich nach einem Partner und hast dich eben in irgendjemanden vernarrt.“
„Anna, das ist nicht irgendjemand. Er hat in meine Seele geschaut.“
„Und was machst du, wenn er gar nie an dich gedacht hat oder dich schon längst wieder vergessen hat?“
„Dann ist es eben so. Aber ich muss das herausfinden. Es fühlt sich so an, als hätte er die Hälfte meines Herzens, und jetzt muss ich sie suchen.“
„Es ist dir wirklich ernst? Du möchtest diesen Mann wiedersehen?“
„Anna, es ist mir todernst.“
„Bitteschön. Einen Martini und einen Orangensaft. Was ist heute los mit euch beiden? Ihr schaut so aus, als wäre euch eine Laus über die Leber gelaufen“, sagt Marco in seinem wie immer
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