Solange, bis ich dich finde: Roman (German Edition)
renne ich zum Zug, um jeden Tag dieselbe Strecke zur selben Uhrzeit zu fahren. Jedes Mal sitze ich in derselben Kabine und bei jedem Halt schaue ich mir jede Person an, die auf den Zug wartet. Jedoch gibt es von dieser Frau keine Spur. Es ist 11:26 Uhr. Ich werde es heute wieder versuchen. Plötzlich reißt mich ein Anruf aus meinen Gedanken.
„Katner Company. Sie sprechen mit Hillings. Was kann ich für Sie tun?“
Am anderen Ende der Leitung meldet sich eine attraktive Frauenstimme. Sie hat Interesse an einer Mietwohnung an der Bahnhofstraße, nicht weit von hier. Nachdem das Gespräch beendet ist, denke ich unweigerlich und dieses Mal stärker als sonst an diese fremde Frau aus dem Zug. Außerdem hallt in mir noch die Stimme der Frau am Telefon wider, die Lea Aurelius heißt.
Es ist 14:34 Uhr. Katie vom Empfang klingelt mich an.
„Katie? Was gibt es?“
„Es ist eine Frau Aurelius da. Sie hatte mit dir telefoniert, möchte aber Frau Krause sehen. Nur damit du Bescheid weißt.“
„Oh, die ist aber schnell. Das ist in Ordnung. Soweit brauche ich von ihr nichts mehr. Danke Katie.“
Jetzt sollte ich mich beeilen, wenn ich den Zug noch erwischen möchte.
Wie immer sitze ich in der letzten Kabine und warte darauf, dass ein Wunder geschieht und ich sie nochmal sehe. Außer einer riesigen Menschenmenge ist aber nichts zu erkennen. Während der Zug langsam abfährt, betrachte ich den See, an dem ich vor einigen Tagen gesessen habe. Ich kann mich noch erinnern, wie ich ganz spontan zum See herunterging, ein Eis mit Vanille und Zitrone holte und mich auf die Bank setzte, auf der jetzt gerade jemand anderes sitzt, wie ich von Weitem erkennen kann, und dass von diesem Zeitpunkt an mein Leben völlig aus der Bahn geraten ist. Wer diese Person dort auf der Bank wohl sein mag? Und ob sich für diese Person womöglich in diesem Moment auch das Leben verändert? Während ich in Gedanken versunken bin, sind wir schon am nächsten Halt angekommen. Jedes Mal schlägt mein Herz höher, in der Hoffnung, sie zu sehen. Noch weiß ich nicht, was ich tun werde, wenn sie vor mir steht. Ich kann ihr doch nicht einfach um den Hals fallen. Was sage ich ihr überhaupt? Vielleicht ist sie total verblüfft, mich wiederzusehen, oder sie hat mich schon längst vergessen. Es ist auch möglich, dass sie eine Familie hat und glücklich verheiratet ist. Ich weiß es nicht. Aber ich muss es herausfinden und muss wissen, warum mich mein Herz drängt, diese Person zu finden. Es ist 15:23 Uhr. Jedes Mal, wenn wir an dem letzten Halt angekommen sind, überlege ich kurz, ob ich aussteigen und Sarah besuchen soll, so wie beim ersten Mal, als ich mit diesem Zug gefahren bin. Dann überlege ich es mich doch immer anders, steige aus und gehe zum nächsten Zug, der mich wieder zurückbringt.
Es ist 15:48 Uhr. Ich schaffe es, pünktlich um 16 Uhr im Büro zu sein und meine weiteren Termine wahrzunehmen. Gerade angekommen, höre ich, wie mir Katie vom Empfang hinterher ruft und auf mich zugestürmt kommt.
„Noah, warte.“
„Ja? Ist irgendetwas passiert?“, möchte ich wissen.
„Nein, aber deine Frau war vorhin hier, als du weg warst. Du weißt schon, diese Stunde, in der ich nichts für dich annehmen darf. Sie wollte von mir wissen, ob eine Katharina in der Buchhaltung arbeitet. Als ich ihr gesagt habe, dass keine in meiner Liste steht, wollte sie sofort zu dir. Ich habe ihr natürlich gesagt, dass du zu dieser Stunde nicht da wärst. Sie ist dann ziemlich wütend gegangen. Ich glaube, das solltest du wissen.“
„Vielen Dank, Katie“, sage ich. Ohne ein weiteres Wort steige ich in den Aufzug und gehe in mein Büro. Wieso spioniert sie mir nach? Das war noch nie ihre Art. Aber gerade jetzt, wo etwas dran ist, tut sie es. Was ich derzeit mache, ist nicht fair gegenüber Sarah, aber ich muss mir über meine Gefühle im Klaren sein, nur so haben Sarah und ich eine Chance. Unsere Ehe kann völlig kaputt gehen oder aber sie stirbt, um neu geboren zu werden. Wenn ich jetzt nicht meinem Herzen folge, dann wird diese Ehe auf jeden Fall nicht mehr zu retten sein.
Es ist 19:42 Uhr. Die letzten Termine habe ich heute erfolgreich hinter mich gebracht. Katner wird stolz sein. Eigentlich möchte ich nicht nach Hause gehen. Sarah wird bestimmt schon auf mich warten, vor allem, nachdem ich fünf Anrufe von ihr in Abwesenheit auf meinem Handy erhalten habe. Nach langem Überlegen entscheide ich mich, in die Stadt, runter an den See zu gehen, um dort meine
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