Solange, bis ich dich finde: Roman (German Edition)
nicht bemerkt.“
Und nun merke ich wieder, wie unnötig ich mich gestresst habe. Wir lassen keine Zeit verstreichen und beginnen sofort mit dem Abbauen der Schränke.
„Wann kommt eigentlich dein Nachmieter, Derek?“, möchte ich wissen.
„Ich weiß nicht. Mittags hat er gemeint.“
„Gut, vielleicht haben wir schon vieles draußen, bevor er da ist.“
Die Schränke sind abgebaut und im Transporter verstaut. Derek ist gerade damit beschäftigt, sein Bett auseinanderzunehmen, während ich seine Regale ausräume und alles ordentlich sortiert in einen Karton lege. Darunter befinden sich viele Bilder aus seiner Kindheit, die ich ordne. Versonnen halte ich ein Bild in den Händen, auf dem Derek mit seiner Schultüte lachend am Straßenrand steht und eine Zahnlücke sein Gesicht ziert. Plötzlich reißt mich ein knirschendes Geräusch aus meinen Gedanken. Ich schaue links neben mich und sehe Schuhe. „Derek? Ist was?“
Ich bekomme keine Antwort. Wieder schaue ich nach links und hebe langsam meinen Kopf. Mir wird schwindelig und ich lasse das Bild aus meiner Hand fallen. Es ist der Mann. Es ist Noah Hillings. Immer noch starre ich ihn von meiner Position aus an und schaffe es nicht, meinen Mund zu schließen. Meine Kehle schnürt sich zusammen und mein Herz springt mir in den Hals. Er schaut mich an, ohne ein Wort zu sagen. Tief blickt er in mich, fast so wie in dem Zug damals, nur dieses Mal ist es eine andere Tiefe. Eine Tiefe, die mir sagt, dass seine Sehnsucht ihn sehr mitgenommen hat. In seinen Augen spiegelt sich unendliche Freude und große Angst wider. Langsam erhebe ich mich und versuche mich zu besinnen. Ich putze meine Hände an meiner Hose ab und reiche ihm meine Hand. Mit einem verkrampften Lächeln versuche ich ganz normal zu wirken.
„Hallo. Schön, Sie wieder einmal zu sehen“, sage ich mit zittriger Stimme und merke, dass ich ganz und gar nicht normal wirke. Er wird spüren, wie sehr er mir den Kopf verdreht hat.
„Hallo“, sagt er in einem sanften Ton.
Er macht einen Eindruck, als wäre er auf einer langen, endlosen Reise gewesen, und weil er davon gezeichnet ist, wählt er behutsam seine Worte aus. Immer noch hält er meine Hand und auch ich mache keine Anstalten, sie aus der seinen zu lösen. „Lea, kannst du mir …“, platzt plötzlich Derek herein und wird abrupt still. Als ich zu ihm schaue, sehe ich, wie er verdutzt dasteht und die Situation nicht einzuschätzen weiß. Er schaut mich und ihn abwechselnd an.
„Kannst du mir später behilflich sein? Also jetzt muss es nicht sein. Ich komme in ein paar Minuten noch mal, in Ordnung?“ Statt ihm zu antworten, nicke ich lediglich mit dem Kopf. Ich bin einfach nicht fähig zu denken, geschweige denn, ein einziges Wort zu sagen. Verunsichert geht Derek aus dem Zimmer raus und schließt sogar die Türe hinter sich zu. Jetzt stehen wir alleine da, in einem geschlossenen Raum und sehen uns einfach nur tief in die Augen. Irgendetwas muss ich doch machen. Löse endlich deine Hand aus der seinen. Aber ich will nicht. Wie gelähmt betrachte ich seinen Mund, seine Augen. Ich will einfach nicht mehr von ihm weg. Es geht ihm genauso, das spüre ich, denn auch er bewegt sich nicht, sagt kein Wort. Haben wir uns etwa beide so sehr nach uns gesehnt?
„Es ist schön, dich endlich zu sehen“, sagt er mit sehnsüchtigen Blicken.
„Ich freue mich auch sehr, dich …“ Ich kann den Satz einfach nicht zu Ende sprechen. Jetzt möchte ich ihn einfach nur küssen. Aber ich kann ihn doch nicht küssen. Er kennt mich doch nicht einmal und auch ich kenne ihn nicht. Wir sehen uns nach Wochen zum dritten Mal wieder. Außerdem ist er verheiratet. Dieser Gedanke lässt mir den Magen umdrehen und es wird mir übel. Plötzlich kommt er mir näher, ganz nahe an meinen Mund. Er streift meine Lippen und geht mit seinen entlang meinen Wangenknochen an meinen Hals herunter. Es fühlt sich an, als würden tausende elektrische Stiche meinen Körper durchfluten. Er küsst mich nicht, er berührt mich lediglich mit seinen Lippen und nimmt meinen Duft auf. Ich rieche auch ihn und fühle ihn überall. Sein Duft raubt mir sämtliche Sinne. Auch ich möchte ihn berühren und mehr von ihm haben. Ich löse meine Hand aus der seinen und umfasse ihn an der Taille. Jetzt merke ich, wie sein Atem schneller und tiefer wird. Sein Atem verrät, welche Last gerade von ihm fällt. Auch mein Körper geht mit seinem Rhythmus mit und ich muss schneller atmen. Mein Verlangen nach ihm
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