Solange, bis ich dich finde: Roman (German Edition)

alles hinter meinem Rücken.“
    „Hinter Ihrem Rücken? Nur wegen Ihnen ist alles kaputt und dass wir beide in Venedig waren, das wussten wir nicht, das wusste nur das Schicksal.“
    „Und das soll ich Ihnen glauben? Beide verkriechen sich in Venedig und wissen nichts davon … Irgendwann begegnen sie sich, bla, bla und lebten glücklich bis an ihr Lebensende … Wem wollen Sie dieses Märchen glaubhaft machen?“
    Ohne ihr zu antworten, schaue ich ihr noch eine Weile wutentbrannt und tief in die Augen, drehe mich um und gehe.
    Mittlerweile sind einige Stunden vergangen und ich bin auf dem Weg zu Anna. Vielleicht ist sie jetzt wieder da. Plötzlich bleibe ich wie versteinert stehen, denn als ich über Alfredo nachdenke, höre ich wieder seine Worte von dem Verlobungsfest letzten Samstag und erinnere mich, wie er mich gefragt hat, ob ich Noir Heiling kenne. Er hat mich wieder und wieder danach gefragt. Mir wird ganz übel bei dem Gedanken, dass es sich bei Noir Heiling um Noah handelte. Alfredo hat einfach seinen Namen falsch ausgesprochen, weil er sich deutsche Nachnamen nicht gut merken kann. Selbst Katner hat mir damals am Telefon auf seine zynische Art klargemacht, dass er nicht Noir Heiling, sondern Noah Hillings heißt. Wie konnte ich nur so taub sein. Noah war die ganze Zeit in Venedig und hatte ständig mit Alfredo zu tun. Jetzt fällt mir ein, dass auch Noah auf der Verlobungsfeier gewesen sein muss. Ist das etwa der Grund für Alfredos Verschwinden? Vor Annas Haustüre angekommen, drücke ich mit zittriger Hand die Klingel. Es dauert einige Sekunden und Anna macht die Türe auf. Sie sieht mich, wie ich tränenüberströmt und völlig fertig dastehe.
    „Le…“, sagt sie und schafft es nicht einmal meinen kurzen Namen ganz auszusprechen.
    „Was? Ich meine, du? Und was ist …?“
    Anna fällt es sichtlich schwer zu verstehen, was hier gerade passiert. Ohne ein Wort zu sagen, falle ich ihr in die Arme und kann keine Träne, keinen Schmerz mehr zurückhalten.
    Die letzte Nacht haben wir komplett durchgeredet. Ich habe ihr alles erzählt. Alles, was in Venedig passiert ist und was ich gestern erfahren musste. Normalerweise hätte ich von Anna vorwurfsvolle Blicke und erzieherische Worte erwartet, doch stattdessen hat sie mir einfach nur zugehört und langsam verstanden, warum ich mich so verhalten habe und wie ich am Boden zerstört bin, weil ich nichts mehr rückgängig machen kann, was sie sehr bedauerte.
    „Komm, ich bring dich auf den Flughafen und du gehst zurück nach Venedig. Geh zu Noah, es ist noch nicht vorbei, Lea.“
    „Seit der Verlobungsfeier ist bestimmt alles ein für alle Mal vorbei.“
    „Wenn du jetzt aufgibst, dann wirst du es dir dein ganzes Leben lang vorwerfen müssen.“
    „Du hast Recht, Anna, auch wenn ich keine Kraft mehr dazu habe, ich muss einfach kämpfen.“
    Als ich die Türe in Alfredos und meiner Wohnung aufschließe, sehe ich Alfredo auf der Couch sitzen und seine Tasche voller Kleider ausräumen.
    „Alfredo?“, sage ich, als ich die Türe hinter mir schließe. „Du bist wieder da?“, frage ich ein wenig überrascht.
    „Lea, ich halte das einfach nicht aus. Ich möchte keinen Tag mehr ohne dich sein“, sagt er, steht auf, tritt vor mich und umfasst meine Hände. Als er mich in den Arm nehmen möchte, weise ich ihn zurück.
    „Es tut mir leid, Alfredo, aber es ist einfach zu viel …“
    „Sprich nicht weiter“, unterbricht er mich. „Ich hatte einen Blackout und bin fast durchgedreht, als mir Noir von seiner Geschichte mit dir erzählt hat und …“, sagt er und kann nicht mehr weitersprechen.
    „Er heißt nicht Noir Heiling, sondern Noah Hillings. Deshalb konnte ich dir nie von ihm erzählen, da ich wirklich dachte, dass es jemand anderes ist. Ich war in Deutschland und da wurde mir klar, dass ich dir nicht mehr länger etwas vormachen möchte. Ich weiß nicht, was dir Noah über mich erzählt hat, aber ich habe tiefe Gefühle für ihn. Ich habe versucht, ihn zu vergessen, doch es gelingt mir nicht und ich möchte um ihn kämpfen.“
    Alfredo lässt augenblicklich meine Hände los und Tränen stehen ihm in den Augen.
    „Es tut mir unendlich leid, Alfredo. Ich habe es wirklich mit uns versucht und vielleicht hätte es auch funktioniert, aber da Noah immer noch in meinem Leben ist, muss ich um ihn kämpfen.“ Alfredo geht zu seiner Tasche mit den Kleidern zurück und packt sie wieder ein, läuft an mir vorbei und geht, ohne ein Wort zu sagen.
    Jetzt stehe