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Solange die Nachtigall singt

Solange die Nachtigall singt

Titel: Solange die Nachtigall singt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Michaelis
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Hauklotz. Hier gab es eine Art kleinen Platz aus festgetretener Erde, und hier war auch die Vordertür, er sah sie jetzt. Aber der Hauklotz war nicht verlassen, wie er geglaubt hatte. Jascha stand noch immer dort, hielt die Axt in den Händen und sah ihm entgegen.
    »Warst du nicht eben noch im Haus?«, fragte Jari. »Ich habe dich gehört.«
    Sie nickte. »Ich habe Kaffee gehackt«, sagte sie und lachte wieder. Es war dasselbe Lachen, das er im Haus gehört hatte.
    »Kaffee gehackt?«
    »Verstehst du keinen Spaß, Zeisig? Komm, du brauchst ein Frühstück. Mit einem Frühstück im Bauch sieht alles anders aus.«
    »Ich hoffe nicht«, sagte Jari und sah sie an.
    Sie lächelte. »Du fragst dich, warum ich deine Sachen trage. Ich … dachte, es lässt sich leichter Holz hacken in den Sachen eines Mannes.«
    Er nahm ihr die Axt aus den Händen, sah sie an. Trug sie seine Sachen wirklich deshalb? Oder gab es noch einen anderen Grund? Mattis Mädchen hatten manchmal Mattis Pullover getragen. Eine von ihnen hatte gesagt, es wäre, als hätte man den Mann bei sich, an den man ohnehin dachte …
    Unsinn, sagte er sich. Was bildest du dir ein, Zeisig?
    Laut sagte er: »Lass mich den Rest Holz hacken. Du hättest warten sollen, ich hätte das alles erledigen können.«
    »Du hast so fest geschlafen.«
    »Woher weißt du … Warst du …?«
    Er stellte sich vor, wie sie an seinem Bett stand und ihm beim Schlafen zusah, und ihm wurde warm bei dem Gedanken.
    »Hack das Holz später«, sagte sie. »Komm jetzt, und trink einen Kaffee mit mir. Als ich eben in der Küche war, roch es schon beinahe zu gut, um noch einmal hinauszugehen …«
    Also war es wirklich Jascha gewesen, die drinnen gelacht hatte. Aber über was hatte sie gelacht, allein in der Küche?
    Er ließ sie vorausgehen, bestand darauf, wenigstens noch ein paar Klötze mit der Axt zu zerteilen. Als er schließlich die Küche betrat, die gleich neben dem Vordereingang lag, hatte sie sich umgezogen. Er bedauerte es beinahe, seine zu großen Kleider hatten sie so zerbrechlich wirken lassen. Fast hilflos. Nun, in einem Hemd und einem Rock von der Farbe des Nebels, fein gewebt und eng an ihrem Körper anliegend, war sie wieder Herrin ihrer selbst. Unnahbar. Sie setzte sich ihm gegenüber auf einen einfachen Holzstuhl. Die Küche war zur Abwechslung ein Raum ohne Ornamente und Verzierungen, aber ihre Einfachheit unterstrich die Schönheit des Mädchens, das sich in ihr bewegte.
    Irgendwann, dachte Jari, werde ich der Schönheit müde werden, ich werde mich nach dem Gewöhnlichen und Hässlichen sehnen. Irgendwann? Hatte er denn vor, zu bleiben? Nein, sagte er sich im Stillen. Jedenfalls nicht lange. Noch eine Nacht. Eine Nacht, in der ich die Dinge geschickter angehe als in der letzten.
    »Du willst weiter«, sagte Jascha, »nicht wahr? Du willst weiterziehen, mein Zeisig. Ich werde dich nicht aufhalten.«
    »Willst du denn, dass ich weiterziehe?«, fragte er und sah in ihre dunklen Augen.
    Sie umfasste die Kaffeetasse mit beiden Händen, wie um sich daran zu wärmen. Als hätte die Kälte des Alleinseins bereits mit der Idee seines Fortgehens begonnen, in ihre Welt zurückzusickern.
    »Nein«, sagte sie leise und schüttelte den Kopf. »Nein, das will ich nicht. Aber es ist nicht meine Entscheidung. Du bist frei.«
    »Warum sollte ich gehen?«, fragte Jari leichthin. »Ich bin noch nicht einmal richtig angekommen. Meine Wanderung kann warten. Wir sind gestern weit genug gegangen.« Nein, dachte er, wir sind nicht weit genug gegangen, aber wenn ich das jetzt sage, verstehst du es, und vielleicht zerstöre ich damit alles … und ich war nie einer, der die Dinge zu offen ausspricht. Matti, Matti hätte das getan …
    »Es gibt so viel zu tun hier«, fuhr er fort, »was ein Mann besser kann. Nicht nur Holz hacken. Ich wette, dir fällt eine ganze Liste von Dingen ein, für die du mich brauchen kannst.«
    Sie nickte langsam. »Natürlich. Aber ich habe dich nicht hergeholt, damit du für mich arbeitest.«
    Warum dann?, wollte er fragen. Warum hast du mich hergeholt? Gibt es neben der Einsamkeit noch einen Grund, den ich nur nicht begreife?
    »Jemand müsste die Gemüsebeete umgraben, jetzt im Herbst«, sagte sie zögernd. »Das ist einfacher für einen Mann. Es gibt auch ein paar Quadratmeter Weizen, für das Brot. Und den Kartoffelacker. Ich kann ihn dir zeigen. Die Erde ist noch nicht gepflügt.«
    »Womit pflügst du?«
    »Mit der Kaffeekanne«, sagte sie und

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