Soldatenglück - Sedlatzek-Müller, R: Soldatenglück
mich fürsorglich mit Hühnerbrühe, die Halsschmerzen werden aber immer schlimmer. Ich bekomme auch nur noch schlecht Luft, sodass mein Vater besorgt beschließt, mich nach Hamburg ins Bundeswehrkrankenhaus zu bringen. Die Ärztin dort stellt sofort fest, dass es keine herkömmliche Mandelentzündung sein kann, bei der weiteren Untersuchung erkennt sie, dass sich ein Abszess gebildet hat. Sie erklärt mir, dass der Abszess auch Richtung Herz wandern könnte, deshalb soll ich sofort notoperiert werden, zumal sich durch die Schwellung im Hals meine Luftröhre immer mehr verschließt.
Ich bekomme noch die Möglichkeit, meinen Zugführer anzurufen. Idor muss ja während meiner Abwesenheit von jemandem versorgt werden. Meine Eltern können diese Aufgabe nicht übernehmen. Abgesehen davon, dass sie beide berufstätig sind, ist es laut Vorschrift verboten, den Diensthund jemandem zu überlassen, der nicht ausgebildeter Diensthundeführer ist. Es ist mir nicht einmal erlaubt, mit Idor öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen, da ein Diensthund von fast allen Beförderungsbetrieben mit einem Kampfhund gleichgesetzt wird. Ich bitte meinen Zugführer, Idor bei meinen Eltern abzuholen und in die Obhut eines Kameraden im K9-Zug zu geben. Danach werde ich in Windeseile in den OP-Saal gebracht. Glücklicherweise hatte ich zuvor ohnehin nichts Festes zu mir genommen und auch kaum etwas trinken können. Es ist bereits Abend, als ich auf dem OP-Tisch liege. Bemüht, mir mein Unbehagen nicht anmerken zu lassen, scherze ich mit dem Anästhesisten und sage, dass ich versuchen will, gegen die Narkose anzukämpfen. Er versichert mir milde lächelnd, dass es bei ihm noch niemand geschafft hat, weiter als bis zum fünften Schaf zu zählen. Ich nehme die Herausforderung an und warte auf sein Zeichen. Er beugt sich zu mir hin und ich höre nur noch: »Huch, das war wohl ein Früh
start«, dann verliere ich das Bewusstsein.
Müde und orientierungslos wache ich irgendwann auf. Ich brauche einige Minuten, um mir bewusst zu werden, wo ich mich befinde und dass ich operiert worden bin. Ich liege in einem Zimmer, mal wieder ganz allein. Das Licht ist gedämpft, die Vorhänge sind zugezogen. Es gelingt mir nur langsam, mich aufzusetzen. Ich versuche mich an die Minuten vor meiner Operation zu erinnern. Ich muss innerlich lachen, da mir der Frühstart des Anästhesisten wieder einfällt. Ich fühle mich noch sehr benommen und suche nach meinem Handy, um zu sehen, wie spät es ist. Mir fällt jetzt erst auf, dass ich einen Fernseher auf dem Zimmer habe. Ich nehme die Fernbedienung und schalte mich durch die Programme. Bei ntv bleibe ich hängen, als ich im Newsticker lese, dass das Krankenhaus, in dem ich liege, aufgrund einer Terrorwarnung evakuiert wird. »Terroralarm in Hamburg – Bundeswehrkrankenhaus evakuiert«, läuft durch den Ticker. Vor Schreck falle ich zurück ins Bett. Ich kann nicht fassen, in was für einer Situation ich mich befinde. Ich rufe bei meinen Eltern an, ihre Telefonleitung ist besetzt. Ob hier gleich eine Bombe explodiert und ich kann mich nicht einmal mehr von meinen Eltern verabschieden? Vielleicht sollte ich meinen Zugführer anrufen. Ich wähle die Handynummer und muss nicht lange auf sein tiefes und kräftiges »Festas« warten. Ich versuche ihm zu erklären, dass hier im Krankenhaus etwas nicht stimmt und alle evakuiert wurden und ich jetzt hier ganz alleine bin. Festas ist irritiert und erklärt mir, dass das an der Narkose liege und ich wohl noch nicht ganz Herr meiner Sinne sei. Freundlich, aber bestimmt, versichert er mir nochmals, dass er sich um Idors Unterbringung kümmert. Er wünscht mir gute Besserung und gibt mir den Rat, mich doch erst mal richtig auszuschlafen.
Irritiert stehe ich dennoch auf und gehe zum Fenster. Ich ziehe die Vorhänge auf und erschrecke, als ich mehrere schwarz vermummte Gestalten an meinem Terrassenfenster vorbeilaufen sehe. Ich erkenne anhand der Bekleidung und Ausrüstung, dass es sich eher um das SEK als um Terroristen handelt. Ich öffne, von der Narkose noch benebelt, das Fenster und frage, ob sie hier vielleicht hereinwollen. Einer der Polizisten zischt mir zu, ich solle sofort das Fenster schließen und mich ruhig verhalten, dann verschwinden sie ebenso schnell, wie sie aufgetaucht sind. Mich beunruhigt diese Situation zutiefst. Ich schließe das Fenster und schleiche durch mein Zimmer, um das Stationszimmer aufzusuchen. Auf dem Flur ist das Licht ausgeschaltet, langsam gehe
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