Soldatenglück - Sedlatzek-Müller, R: Soldatenglück
ich ihn entlang und treffe auf eine Schwester. Nach einer Schrecksekunde erklärt sie mir, dass das Krankenhaus evakuiert wurde, und ist über meine Anwesenheit sichtlich verwundert. Sie bemerkt meine Anspannung und bittet mich, zurück auf mein Zimmer zu gehen. Nach einiger Zeit bekomme ich Besuch von einem Arzt. Er teilt mir mit, dass aufgrund der Behandlung eines amerikanischen Soldaten eine Bombendrohung eingegangen sei. Das Krankenhaus wurde hermetisch abgeriegelt und bis auf wenige Patienten evakuiert. Da nichts gefunden wurde, werde der Betrieb fortgeführt.
Die nächsten Tage im Bundeswehrkrankenhaus sind vergleichsweise langweilig. Meine Eltern können mich nicht besuchen, da sie bis zum späten Abend arbeiten, und Lancer, der seinen Weihnachtsurlaub in Hamburg verbringt, hat auch nur wenig Zeit. Das einzig Angenehme ist, dass ich so viel Eiscreme bekomme, wie ich möchte. Da die OP-Wunde gut verheilt und ich meinen Hund schnell wieder selbst versorgen möchte, werde ich bereits nach sieben statt der üblichen zehn Tage Aufenthalt nach Hause entlassen. Mit meinem Vater hole ich Idor aus Varel ab und lasse es mir trotz der mir verordneten Bettruhe nicht nehmen, mich um ihn zu kümmern. Meine Eltern sitzen gemütlich vorm Fernseher, als ich gegen 21:00 Uhr von der Gassirunde komme. Ich wünsche ihnen eine gute Nacht und gehe zu Bett. Wie immer lasse ich meine Zimmertür etwas auf, damit Idor, wenn er nachts Durst bekommt, in der Küche trinken kann. Ich schalte das Licht aus, Idor springt wie gewohnt mit ins Bett und macht es sich am Fußende bequem. Völlig übermüdet schlafe ich sehr schnell ein.
Ich werde dadurch wach, dass Idor am Bett steht, mich laut anknurrt und mir das Gesicht ableckt. Ich bin verärgert darüber, dass er mich nicht schlafen lässt, dann merke ich, dass mein Gesicht komplett nass ist. Auch mein Kopfkissen fühlt sich nass an. Ich taste nach dem Lichtschalter und erschrecke darüber, dass überall Blut ist. Augenblicklich bin ich hellwach, aber mir ist nicht gleich klar, ob ich nur wieder schlecht träume oder dies hier Realität ist. Allmählich dämmert mir, dass meine Narbe am Hals aufgegangen sein muss. Sofort renne ich zu meinen Eltern und bitte sie, den Notarzt zu rufen. Dabei schmecke ich das Blut in meinem Mund und ich fühle mich in die Situation nach der Raketenexplosion zurückversetzt. Ein Gefühl der Panik steigt in mir auf. Ich lege mich ins Bett und versuche, mich darauf zu konzentrieren, dass ich zu Hause bei meinen Eltern bin. Dennoch fühle ich mich, als befände ich mich wieder auf dem Sprengplatz. Nach wenigen Minuten trifft der Notarzt ein und schaut in meinen Rachen. Er ordnet an, dass ich sofort ins Krankenhaus muss, damit die Narbe zugelötet wird. Er bemerkt, dass ich unkontrolliert zittere, und versichert mir, dass ich keine Angst haben müsse, weil wir es rechtzeitig bemerkt haben. Irgendwie kann ich das alles nicht richtig realisieren und zuordnen. Ich sehe in ihm den Arzt, der mir nach der Raketenexplosion Mut zugesprochen hat.
Auf der Fahrt zum Krankenhaus erklärt mir der Rettungssanitäter, dass ich schon viel Blut verloren habe und großes Glück hatte, dass mein Hund mich geweckt hat. Ich hätte sogar verbluten können. Am nächsten Morgen bekomme ich noch einmal Besuch von dem Arzt, der die Narbe wieder verschlossen hat. Er entlässt mich nach Hause, besteht aber darauf, dass ich meinem Hund einen riesigen Knochen schenke, weil ich ihm mein Leben zu verdanken habe. Zu Hause steht Idor schon an der Tür und begrüßt mich überschwänglich wie immer. Ich freue mich noch mehr als sonst, einen so aufmerksamen und treuen Buddy an meiner Seite zu haben.
Durch den ganzen Stress der Ereignisse habe ich seit Tagen keine Zigarette mehr geraucht. Hatte ich noch kurz zuvor bis zu zwei Schachteln am Tag geraucht, so kostet es mich nun kaum Überwindung, mir keine Zigarette mehr anzustecken. Ein Laster, das mich in der Vergangenheit viel Geld gekostet und mir unnötig Kraft geraubt hat, bin ich endlich los.
Einen weiteren Afghanistaneinsatz im Jahr 2005 möchte ich auf mich nehmen, als Beweis meiner noch vorhandenen Leistungsfähigkeit. Ich bin wieder als Diensthundeführer beim EOD eingegliedert. Limmann und Kunz sind mit ihren Hunden ebenfalls im Einsatz. Gemeinsam erleben wir einen ruhigen Einsatz. Wir arbeiten wieder mit dem deutschen EOD-Team zusammen. Wenn es aber darum geht, direkt mit Sprengstoff in Kontakt zu kommen, wird mir mulmig zumute und
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