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Soldatenglück - Sedlatzek-Müller, R: Soldatenglück

Soldatenglück - Sedlatzek-Müller, R: Soldatenglück

Titel: Soldatenglück - Sedlatzek-Müller, R: Soldatenglück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Sedlatzek-Müller
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meinen Kameraden, dann werden mal eben eine Flasche Jim Beam Bourbon und ein paar Bier geleert. Mit der richtigen Bettschwere nehme ich meinen Tinnitus gar nicht mehr wahr, ich falle dann einfach nur auf die Matratze. So erliege ich schnell der Versuchung, mich jeden Tag auf diese Weise in den Schlaf zu befördern. Mit einigen Gläsern Whiskey-Cola bin ich bedient. Da niemand mitbekommen soll, wie viel ich tatsächlich trinke, kaufe ich meinen Nachschub in einem Nachbarort und verstecke die Vorräte in meiner kleinen Stube.
    Manchmal besucht mich Lancer abends. Er ist inzwischen sehr in sich gekehrt und spricht nur noch selten mit jemandem. Entweder spielen wir zur Ablenkung ein Teamspiel auf meiner Konsole oder wir gucken uns einen Film an. Zum Schachspielen, wie wir es früher gerne getan haben, fehlt uns längst die Konzentration. Meist bringt Lancer eine Flasche Wodka mit, die wir dann gemeinsam nebenbei leeren. Er meint, dass man Wodka nicht so schnell riecht und ich durch Sturzsuff schnell in einen traumlosen Schlaf falle. Außerdem trinkt man dann weniger und ist am nächsten Morgen wieder dienstfähig, sagt er. Da Lancer jeden Morgen vor Dienstbeginn in die 5 Kilometer entfernte eigentliche Kaserne fährt, rechnet er sich sogar genau aus, wie viel er trinken kann, damit sein Körper den Alkohol bis zum nächsten Morgen abgebaut hat. Er möchte natürlich nicht alkoholisiert am Steuer erwischt werden. Der Sturzsuff funktioniert auch mit Bourbon, aber ich merke nicht, dass es nun ein allabendliches Ritual geworden ist, vor dem Einschlafen ein Glas mit einer durchsichtigen Mischung Whiskey-Cola in einem Zug zu trinken. Ich bin dann so schnell betrunken, dass ich es nicht mehr schaffe, mich auszuziehen, und in Uniform auf dem Bett einschlafe. Dadurch kann ich zwar den Tinnitus und meine Albträume ausblenden, aber erholsamer Schlaf ist das nicht.
    Niemand aus meinem Zug bemerkt etwas von meinem hohen Alkoholkonsum. Es gelingt mir über Jahre hinweg, das geheim zu halten, und meinen Dienst erledige ich trotz meiner Probleme. Dass ich überhaupt welche habe, behalte ich ganz und gar für mich, denn ich habe nicht den Eindruck, dass ich irgendwem begreiflich machen kann, was mich belastet. Nicht einmal Lancer weiß von meinem Einschlafritual. Er selbst gibt sich keine Mühe, sich zu verstecken. Oftmals schläft er nach einer Flasche Wodka im Aufenthaltsraum ein oder legt sich im Sommer einfach draußen auf die Ladefläche seines Kombis. Die anderen Hundeführer wundern sich darüber, aber sie schätzen ihn als zuverlässigen Kameraden und sehen über diese Dinge hinweg. Dass er immer öfter nach Dienstschluss die Einsamkeit sucht und sich in Varel am Hafen herumdrückt, erzählt er mir erst Jahre später. Rauchend denkt er dann über den Sinn und die Sinnlosigkeit des Lebens nach. Darüber, dass es jederzeit schlagartig zu Ende sein kann und was das überhaupt ausmacht. Wenn man erst einmal anfängt, darüber nachzudenken, sagt er mir, kann man schnell zu der Erkenntnis gelangen, dass es scheißegal ist, ob jemand am Leben ist oder nicht. Der ihm eigene Sarkasmus wandelt sich in Zynismus. Nichts scheint ihm noch von Wert zu sein. Es fällt mir schwer, ihn zu erreichen, und führe ich nicht mindestens jeden zweiten Tag mit ihm zu »Vera-Fit«, um mit ihm bis zum Muskelversagen zu trainieren, wäre er nach Dienstschluss sicherlich noch viel mehr
    am Grübeln und Trinken.
    Kurz vor Ablauf seiner Dienstzeit lässt sich Lancer nach Hamburg versetzen. Mit ihm geht mir eine wichtige Stütze verloren. Es ist sein Wunsch, auf der Bundeswehrfachschule seine berufsförderungsfähige Dienstzeit für eine qualifizierte Ausbildung zu nutzen. Seine Stressresistenz ist allerdings so gering geworden, dass er dem Unterricht nicht gewachsen ist und sein Vorhaben abbricht. Vergeblich bemüht er sich daraufhin, bei den Ärzten der Bundeswehr einen Ansprechpartner zu finden, der seine Probleme zu ergründen versucht.

UNSERE GEMEINSCHAFT ZERBRICHT
    Milano kann seine Wutausbrüche kaum noch kontrollieren. Wir beide sind ja bereits seit den Anfängen an der Diensthundeschule auch außerhalb der Dienstzeit viel gemeinsam unterwegs. Ich lernte ihn damals als einen sehr loyalen Kameraden kennen und als fröhlichen Menschen, der immer zu einem Streich oder Scherz bereit ist. In seinem Häuschen in der Nähe des Diensthundezuges bin ich fast täglich zu Gast. Im K9-Zug hat er sich inzwischen den Ruf eines Cholerikers eingehandelt, seit er genau

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