Soldatenglück - Sedlatzek-Müller, R: Soldatenglück
werden. Bei anderen internationalen Einheiten wird die Verabschiedung eines Hundes aus dem Diensthundezug mit einem kleinen Fest gefeiert. Der Hund bekommt dann sogar eine Auszeichnung und das jeweilige Bataillonswappen. Mein braver Idor wird am 13. April 2010 still und leise als »Verbrauchsmaterial« ausgesondert, was ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht weiß. Die Prüfung, wie mit der Gnadenbrothaltung von ausgesonderten Diensthunden umzugehen ist, ist im September 2011 noch immer nicht abgeschlossen.
Auch mir steht nun ein neuer Lebensabschnitt bevor. Nach zwölf Jahren Dienst in der Bundeswehr mit Auslandseinsätzen, Speziallehrgängen, Verwundung im Einsatz und gelebter Kameradschaft werde ich endgültig entlassen. Lange hatte ich darauf gehofft, dass mir eine Härtefallregelung ermöglicht, bei der Bundeswehr zu bleiben – waren doch inzwischen der Wehrbeauftragte, Mitglieder des Verteidigungsausschusses, der Staatssekretär des BMVg und auch der Verteidigungsminister auf meinen Fall aufmerksam geworden und sahen eine Versorgungslücke. Das Unteroffizierkorps der 1. Kompanie hat mich zu einer Feier eingeladen. Dort werde ich nach alter Tradition mit einem geselligen Abend aus dem Uffz--Korps entlassen. Nur noch wenige der Soldaten kenne ich überhaupt. Weil es mir an diesem Abend nicht sonderlich gut geht, fahre ich nach dem offiziellen Teil der Feier nach Hause.
Dann steht die Verabschiedung von der 1. Kompanie des Fallschirmjägerbataillons 313 an. Lancer hat die Nacht zuvor bei uns gepennt. Lange haben wir über alte Zeiten geredet und gelacht. Aber auch über die Zukunft haben wir gesprochen und das, was mich nun erwartet. Dass Lancer inzwischen von Hartz IV lebt und seinen Alltag nur schwer geregelt bekommt, macht mich wütend. Trotzdem fahren wir gemeinsam am 30. April 2010 nach Seedorf. Dort treffen wir auf Limmann, der gemeinsam mit Lancer und mir die Grundausbildung gemacht hat. Jana, die ebenfalls mitgekommen ist, ist von unserer Wiedersehensfreude sichtlich bewegt. Stabsfeldwebel Festas ist inzwischen der Spieß der 1. Kompanie 313 und hat die Aufgabe, Limmann und mich aus der Bundeswehr zu verabschieden. Die Kompanie ist auf dem zugeparkten Parkplatz angetreten. Nach der Wochenendbelehrung werden Limmann und ich vor die Front gerufen. Dann werden wir doch nicht von Festas, sondern von dem mir völlig unbekannten Kompaniechef entlassen. Er findet ein paar Worte zum Einsatz und meiner Verwundung und wünscht uns bei
den mit einem dreifachen »Glück ab!« der Kompanie alles Gute.
Ich sehe in die meist jungen Gesichter derer, die ihre Zeit noch vor sich haben, und stelle fest, dass ich außer ein paar Hundeführern niemanden hier kenne. Die 6. Kompanie, in der ich mein letztes Dienstjahr verbracht habe, verabschiedet mich überhaupt nicht. Kein Dank dafür, dass ich mich für die oft langen Dienstzeiten als Zugdienst freiwillig gemeldet habe. Kein Dank dafür, dass ich meine gesammelten Einsatz- und Lehrgangserfahrungen mit in die Rekrutenausbildung eingebracht habe. Sie haben mich nie gefragt, warum ich so bin, so einsam, und mich oft als verrückten Einzelgänger denunziert.
An diesem Abend betrinke ich mich zu Hause. Jana ist für mich da, kann mir jedoch meine Angst vor dem, was mir bevorsteht, nicht nehmen. Herr Timmermann-Levanas meldet sich per SMS und wünscht mir alles Gute. Es sei noch nicht aller Tage Abend, wir würden gemeinsam weiterkämpfen.
Ein neues Problem stellt sich mir, mit dem ich nicht gerechnet hatte. Da ich noch drei Jahre Übergangsbeihilfe bekomme und Anspruch auf 70 Prozent freie Heilfürsorge habe, muss ich mir für die übrigen 30 Prozent eine private Krankenversicherung suchen. Ich schreibe mehr als acht Versicherungen an und bekomme nur Ablehnungen oder gar keine Antwort. Als PTBSler bin ich psychisch krank und werde somit in die Kategorie Risikopatient eingestuft, so die Begründung. Mein Hinweis, dass die Behandlungskosten meiner PTBS vom Bund getragen werden, interessiert niemanden. Verzweifelt wende ich mich in der aussichtslos scheinenden Situation an den zuständigen Sozialdienst. Die ältere Dame ist überrascht und fragt mich, ob ich denn keine Anwartschaftsversicherung abgeschlossen hätte. Habe ich nicht. Ich sage ihr, dass Belehrungen mir jetzt nicht helfen, und möchte wissen, ob sie mir eine private Krankenversicherung nennen kann, die mich trotz meiner PTBS aufnimmt. Das kann sie leider nicht, aber sie gibt noch den Hinweis, dass die Versicherungen
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