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Soldatenglück - Sedlatzek-Müller, R: Soldatenglück

Soldatenglück - Sedlatzek-Müller, R: Soldatenglück

Titel: Soldatenglück - Sedlatzek-Müller, R: Soldatenglück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Sedlatzek-Müller
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mich laut Gesetz gar nicht ablehnen dürfen. Dann wünscht sie mir noch »viel Glück beim Klinkenputzen«.
    »Klinkenputzen!«, rufe ich laut durch die Wohnung. Wütend werfe ich das Telefon an die Wand und räume mit einem Wisch meinen gesamten Schreibtisch ab. Alles fliegt durch das Zimmer. Danach sinke ich zu Boden und muss einfach nur heulen. Die Wut darüber, dass mir keiner helfen kann, lässt mich verzweifeln, und wieder kommen die Suizidgedanken. So intensiv ich auch nachdenke, mir fällt keine Lösung ein. Laut schreie ich durch die Wohnung, mir ist gerade völlig egal, was die Nachbarn denken. Idor kommt leise angetrabt und setzt sich vor mich, als wolle er mich trösten. Er schnüffelt an meinem Gesicht und seine Zunge schlabbert an meiner Stirn. Fest drücke ich ihn an mich und kann mich so etwas beruhigen. Mein Buddy ist für mich immer da und gibt mir die Kraft, nicht aufzugeben.
    Da ich nachts inzwischen mit den Zähnen knirsche, muss ich nicht lange warten, bis sich Zahnschmerzen einstellen. Wie ich mich ohne Krankenversicherung behandeln lassen soll, weiß ich nicht. Lancer gibt mir den Tipp, dass in Hamburg ein Zahnarzt ehrenamtlich Obdachlose behandelt, die auch keine Krankenversicherung haben. Ich rufe lieber erst einmal meinen alten zivilen Zahnarzt an, der in Buxtehude seine Praxis hat. Wie sich am Telefon herausstellt, kennt er die Artikel im Stader Tageblatt über mich. Er hat für meine Situation Verständnis und gibt mir auch einen Termin, gleich in dieser Woche. Da ich überhaupt keinen Plan habe, wie ich eine Zahnarztrechnung begleichen soll, bitte ich Frau Böken von der Jenny Böken-Stiftung um Hilfe. Sie versichert mir am Telefon, dass die Behandlungskosten von ihrer Stiftung beglichen werden und ich mir keine Sorgen machen muss. Im Wartezimmer der Zahnarztpraxis beobachte ich eine muslimische Frau, die vermutlich überhaupt kein Deutsch versteht. Jedenfalls übersetzt ihre etwa 14-jährige Tochter das Gespräch mit der Zahnarzthelferin. Sie wird gebeten, ihre Versichertenkarte abzugeben und die 10 Euro Praxisgebühr zu bezahlen. Ich erschrecke, da ich an die Praxisgebühr gar nicht gedacht habe. Mit der Heilfürsorge der Bundeswehr war ich vorher von ihr befreit.
    Ich kann das alles nicht verstehen. Ich habe nichts gegen die muslimische Frau, doch offensichtlich hat ihr jemand erklärt, wie sie zu einer Krankenversicherung kommt, und mir, einem ehemaligen deutschen Soldaten mit Reservistenstatus, der im Einsatz beinahe sein Leben verloren hat, mir kann niemand helfen. Ich überlege, ob es günstiger wird, wenn ich mich ohne Betäubungsspritze behandeln lasse. Nach kurzem Bohren erhalte ich die Hiobsbotschaft, dass eine Wurzelbehandlung ansteht. Mein Zahnarzt gibt sich gelassen. Er meint, dass wir erst einmal diese Behandlung machen und hinterher darüber sprechen, wie wir das mit den Kosten klären.
    Erleichtert darüber, dass die Schmerzen erst einmal gelindert sind, erfahre ich von Frau Böken, dass ein anonymer Spender meine Zahnarztrechnung bezahlen wird. Sie tut geheimnisvoll, der Spender möchte auf gar keinen Fall genannt werden. Sie verrät mir nur so viel, dass diese Person sehr bekannt ist. Mir ist es in diesem Moment nicht wichtig, wer mir freundlicherweise geholfen hat, ich bin einfach nur dankbar und freue mich darüber, dass ich mich für die Wurzelbehandlung nicht auch noch verschulden muss.
     
    Jana und ich sind zum Tag der offenen Tür der Bundesregierung nach Berlin in das BMVg eingeladen, Lancer kommt auch mit. An dem Wochenende lerne ich viele Menschen kennen, die sich bereitwillig meine Geschichte anhören, auch wenn sie leider nicht in der Position sind, mir direkt helfen zu können. Dann stehe ich tatsächlich Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg gegenüber. Er begrüßt mich sehr freundlich und sagt mir, dass er meine Geschichte bereits kennt und prüfen lassen will, ob ich nicht bei der Bundeswehr bleiben könne. Er begrüßt auch Jana sehr freundlich und beugt sich sogar zu Idor runter. Seine Personenschützer sind sichtlich nervös, sie stehen zu weit entfernt, um bei einer Beißattacke einschreiten zu können. Idor zeigt sich völlig entspannt, er kann nicht wissen, dass diese Streicheleinheit von seinem ehemaligen höchsten Dienstherrn kommt. Als ich Herrn zu Guttenberg erkläre, dass ich aufgrund meiner PTBS keine Krankenversicherung bekomme und ich nicht weiß, wie es weitergeht, fordert er prompt seinen Adjutanten auf, sich das zu notieren,

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