Soldatenglück - Sedlatzek-Müller, R: Soldatenglück
Gedanken sind jetzt bei meiner Einheit. Natürlich sind wir stolz darauf, dass wir nach so vielen Jahren des Kampfes um die Versorgung einen entschiedenen Schritt weiter sind, doch uns belastet momentan die schreckliche Nachricht und die Ungewissheit darüber, ob es einen uns bekannten Kameraden getroffen hat. Die Politiker stellen in Aussicht, dass, wenn das BMVg die Gesetzesänderung schnell bearbeitet, die Neuregelung für uns vielleicht noch in diesem Jahr als Weihnachtsgeschenk unter dem Tannenbaum liegt. Vielleicht aber auch erst im Januar 2011.
Da ich erfahren habe, dass meine Einheit Weihnachten in Afghanistan verbringen wird und viele Kameraden verwundet wurden, beschließe ich, den Jungs etwas Gutes zu tun. Ich organisiere mit den Schülern der Berufsschule Stade eine Päckchenaktion. Die Schüler packen kleine Weihnachtspäckchen und schreiben fleißig Briefe an die Soldaten, die sich gerade in Afghanistan befinden. Es werden mehr Pakete als erwartet, daher bekomme ich Unterstützung vom Fallschirmjägerbataillon 313 aus Seedorf. Der stellvertretende Kommandeur, mein alter Spieß Oberstabsfeldwebel Bande, und mein alter Gruppenführer Kunz kommen zur Übergabe der Geschenke mit einem Sprinter nach Stade. Dass die Schüler den Soldaten, die gerade im Einsatz sind, ihre Solidarität zeigen, ist eine große Chance. Die Situation der Soldaten und der Auslandseinsatz gelangen so in die Köpfe derer, die sich bisher dafür nicht oder wenig interessiert haben. Die Schüler haben sich dann noch im Unterricht mit dem Afghanistaneinsatz und der persönlichen Verantwortung jedes Wählers bzw. Nichtwählers auseinandergesetzt, ob er ihm nun zustimmend, kritisch oder ablehnend gegenübersteht. An einem Hamburger Gymnasium halte ich einige Zeit später einen Vortrag zu diesem Thema. Ganz gleich, wie jemand persönlich zum Afghanistaneinsatz steht, der Soldat braucht die Unterstützung und die Solidarität der Bevölkerung. Das möchte ich den Schülern bewusst machen. Die Zwölftklässler waren sehr interessiert und stellten im Anschluss viele Fragen. Noch heute habe ich über Facebook Kontakt zu einigen Schülern und antworte ihnen bereitwillig.
Die Forderungen zur Gesetzesänderung beziehen sich auf drei Punkte. Die Stichtagsregelung soll auf den 1. Juli 1992, also auf den Beginn der Auslandseinsätze zurückdatiert werden. Der Mindestgrad der Schädigung zur Versorgung nach dem Weiterwendungsgesetz soll von 50 Prozent auf 30 Prozent herabgesetzt werden. Zudem soll die Entschädigungszahlung von 79000 Euro auf 150000 Euro angehoben werden. Hintergrund dafür ist, dass die verwundeten Soldaten oft noch sehr jung sind und eine Absicherung von 79000 Euro vielfach nicht ausreicht, sich eine neue Lebensgrundlage zu schaffen.
Da wir im Februar 2011 noch immer nichts aus Berlin gehört haben, rufe ich im Büro von Frau Hoff an. Dort erfahre ich, dass sich das BMVg gegen eine Gesetzesänderung in dieser Form sperrt und wir uns noch gedulden müssen. Auch ein Treffen mit dem Wehrbeauftragten Reinhold Robbe verläuft für mich unbefriedigend. Herrn Robbe erlebe ich als sehr engagierten und informierten Menschen. Er kennt die Problematik, kann nicht direkt etwas für mich tun, verspricht mir aber, an der Sache dranzubleiben und die Gesetzesänderung zu unterstützen. Ich kann nicht verstehen, warum meine höchsten Vorgesetzten im Bundesministerium der Verteidigung der beabsichtigten Versorgungsverbesserung geschädigter Soldaten nicht zustimmen wollen.
DAS ENDE EINER ODYSSEE
Nach neun Jahren habe ich den ins Deutsche übersetzten Untersuchungsbericht zum 6. März 2002 vom dänischen Streitkräftekommando bekommen. Aus dem Bericht geht hervor, dass der Unfall durch eine nicht genehmigte Delaborierung, also Entnahme des Sprengstoffes, in Kombination mit unsachgemäßer Behandlung des Gefechtskopfs und die Benutzung ungeeigneter Werkzeuge wie Hammer und Schraubendreher verursacht wurde. Weder der deutsche noch der dänische Kampfmittelbeseitigungsdienst hätte die SA3BodenLuftAbwehrrakete überhaupt im Feld entschärfen dürfen. Der dänische Verteidigungsminister äußerte sich: »Es lag kein Befehl des deutschen Verteidigungsministeriums, des Operativen Kommandos des Heeres in Dänemark oder anderer deutscher oder dänischer Autoritäten vor, ein SA3Ausbildungsmodell herzustellen.« Und: »Das EOD-Personal, das direkt in die Arbeiten am 5. und 6. März einbezogen war, übertrat einige wichtige EOD-Verfahren und
Weitere Kostenlose Bücher