Soldatenglück - Sedlatzek-Müller, R: Soldatenglück
EOD-Sicherheitsbestimmungen.« Wie die Bezeichnung Explosive Ordnance Disposal verrät, haben die dafür ausgebildeten Personen die Befähigung, Artilleriemunition zu vernichten. Das geschieht durch eine kontrollierte Sprengung. Eine Delaborierung setzt viel weitreichendere Kenntnisse und ganz andere Sicherheitsauflagen voraus.
Ich erfahre also, dass nicht nur ungeeignetes Werkzeug die Explosion verursachte, sondern dass massiv und fahrlässig gegen geltende Sicherheitsbestimmungen des deutschen und dänischen EOD verstoßen wurde. Auch im Protokoll der Staatsanwaltschaft Lüneburg, die sich damit befasste, muss ich lesen, dass meine militärischen Vorgesetzten versagt und gegen Sicherheitsvorschriften verstoßen haben.
Ich überlege nunmehr, gegen meinen ehemaligen Dienstherrn, die Bundeswehr, zu klagen. Wenn ein Bauarbeiter, Kfz-Mechaniker, eine Floristin oder sonst wer zivil auf der Arbeitsstelle verunglückt, haftet grundsätzlich die Berufsgenossenschaft oder der Arbeitgeber. So kenne ich einen ehemaligen Scharfschützen aus meiner Einheit, der nach seiner Bundeswehrdienstzeit bei der Arbeit auf einer Baustelle verunglückte. Noch ehe die Schuldfrage geklärt war, bekam er die bestmögliche klinische Versorgung. Dann stellte sich heraus, dass bei der Aufstellung des Baugerüstes geschlampt worden war – die Berufsgenossenschaft und der Arbeitgeber zahlten anstandslos die Unfallentschädigung und sorgten für eine Reha-Maßnahme. Bei einem Unfall oder einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit zahlt die Berufsgenossenschaft dem Arbeitnehmer sogar ein Verletztengeld.
Das geht ohne aufwendige Gutachten, ewig langes Prüfen und ohne Hin- und Hergeschicktwerden. Mein erwähnter alter Kamerad war auch nicht, wie ein versehrter Soldat, in der umgekehrten Beweislast, er musste nicht beweisen, dass er den Unfall nicht selbst verschuldet hat. Wir Versehrten müssen stets befürchten, dass die Anerkennung einer Wehrdienstbeschädigung abgelehnt wird – die PTBS könnte ja auch mit Kindheitserlebnissen im Zusammenhang stehen. Dass allein der Einsatz sie ausgelöst hat – wie soll man das beweisen? Ich kann nicht verstehen, warum bei der Bundeswehr, wo so viele intensiv ausgebildete, studierte Fachkräfte beschäftigt sind, so viele undurchschaubare Versorgungslücken klaffen.
Warum hat mich die Bundeswehr nach dem Unglück alleingelassen? Warum kam, nachdem bei mir bereits im Jahr 2003 eine PTBS anerkannt wurde, niemand auf die Idee, dass ich therapiert werden sollte? Die Betroffenen selbst können nicht erkennen, wie wichtig es ist, sofort nach dem belastenden Ereignis mit der Therapie zu beginnen. Viele Soldaten sperren sich gegen eine Therapie. Das muss man akzeptieren, aber es sollte eine Aufklärung erfolgen, die sie erreicht, ohne dass sie befürchten müssen, sich vor ihren Kameraden zu blamieren. Die Bundeswehr ist ungeachtet der vielen bei ihr beschäftigten Frauen von einem archaischen Männerbild geprägt. Das ist allgemein bekannt und kein deutsches Phänomen. Entsprechend müssen die Betroffenen durch eine gründliche Information sensibilisiert werden. Dadurch ließe sich meiner Ansicht nach schon zu Beginn einer Erkrankung an PTBS die Hemmschwelle, qualifizierte Hilfe in Anspruch zu nehmen, erheblich senken.
Auch General Munzlinger, der das neu eingerichtete Amt eines PTBS-Beauftragten der Bundeswehr innehat, kann mir nicht helfen. Hoffnungsvoll fahre ich am 29. Januar 2010 nach Koblenz und nehme im Zentrum Innere Führung am zweiten PTBS-Workshop teil. Dort bringe ich meine Erfahrung in die Arbeitsgruppe PTBS ein und erläutere die grundsätzlichen Probleme der Versorgung. Ich mache unmissverständlich klar, dass die Anwartschaftsversicherung für Soldaten zur Pflichtversicherung gemacht werden muss, andernfalls wären im Schadensfall existenzielle Probleme vorprogrammiert. Die meisten Soldaten, mit denen ich über die Anwartschaftsversicherung gesprochen habe, wussten nicht einmal, dass sie nur für einen bestimmten kurzen Zeitraum diese Anwartschaft auf die Wiederaufnahme in die gesetzliche Krankenversicherung abschließen können, die sie unabhängig vom Krankheitsstatus nach Ende der Dienstzeit zu den alten Konditionen weiterversichert. Das ist im Zweifelsfall erheblich günstiger als eine Anwartschaft bei einer privaten Krankenversicherung. Wenn man sich deren Beiträge nämlich nicht leisten kann, nützt einem die Anwartschaft nichts.
Ganz deutlich mache ich klar, dass es qualifizierte Leute
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