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Soldatenglück - Sedlatzek-Müller, R: Soldatenglück

Soldatenglück - Sedlatzek-Müller, R: Soldatenglück

Titel: Soldatenglück - Sedlatzek-Müller, R: Soldatenglück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Sedlatzek-Müller
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Verantwortlichen dafür geradestehen und die Konsequenzen tragen. Stattdessen erlebe ich, dass man diese Angelegenheit zu vertuschen versucht.
    Inzwischen bin ich aufgrund meiner häufigen Medienauftritte recht bekannt geworden. Nachdem ich mich nun auch bei Facebook angemeldet habe, erreiche ich die Politiker noch direkter und breiter. Viele Politiker nutzen die Plattform Facebook, um für sich und ihre Partei zu werben. So erhalte ich die Möglichkeit, dem niedersächsischen Ministerpräsidenten David McAllister meine Situation zu schildern und die Hoffnungslosigkeit, in der mein Buddy Lancer in Hamburg als Hartz-IV-Empfänger lebt. Herr McAllister schickt mir daraufhin prompt eine persönliche Nachricht, dass er mir helfen möchte und ich mich in Hannover bei ihm melden solle.
    Durch das Posten von Beiträgen oder Zeitungsartikeln, die Missstände bei der Versorgung von Einsatzversehrten thematisieren, finden sich immer mehr mir völlig unbekannte Menschen aus ganz Deutschland zusammen, die mich in meinen Bemühungen bestärken und unterstützen. Auch Lancer lässt sich nach seinem gescheiterten Versuch, sich durch eine Klage auf Gleichbehandlung nach dem Einsatz-Weiterverwendungsgesetz Gerechtigkeit zu verschaffen, auf ein Interview mit der FAZ ein. Seine Geschichte wird über Facebook weitergetragen, er findet Unterstützung. Viele Menschen schicken über meine Postadresse kleine und große Pakete für ihn. Es sind nicht nur die Lebensmittel oder das Päckchen Kaffee, worüber Lancer sich freut, es sind vor allem die persönlichen Worte: »Wir stehen hinter dir« und »Gib dich nicht auf«.
    Hin und wieder mache ich ein Bild und setze es ins Internet, damit die Leute sehen, dass ihre Botschaft tatsächlich bei ihm angekommen ist. Ich beantworte sehr gerne die vielen persönlichen Nachrichten und E-Mails derer, die wissen möchten, wie sie uns helfen können.
    Während ich hoffe, dass die Neuregelung des Soldatenversorgungsgesetzes endlich umgesetzt wird, erreicht mich erneut eine Hiobsbotschaft der Wehrbereichsverwaltung. In meinem Verschlimmerungsgutachten wurde eine Anpassungsstörung diagnostiziert, die jedoch nicht in Zusammenhang mit meiner PTBS stehe. Da ich weder Akteneinsicht noch weitere Auskünfte erhalte, in welchem Zusammenhang die Anpassungsstörung steht, drängt sich mir der Verdacht auf, dass das Sanitätsamt in München sie – wie bei anderen Kameraden auch – auf die Kindheit zurückführt. Eine erprobte Abwehrtaktik?
    Ich wurde doch am Tag meiner Musterung mehrere Stunden von einem Arzt untersucht, musste Computertests machen und wurde auf T1-Tauglichkeit gemustert. Der Untersuchungsbericht enthält keinerlei Einträge oder Verweise auf eine Anpassungsstörung. Gedanklich gehe ich noch weiter zurück. In meiner Kindheit war ich ein guter Jungpionier, der an den Pioniernachmittagen oder Ausflügen teilgenommen hat. Ich habe viele Jahre einem Kampfsportverein angehört, auf der Grundlage gegenseitigen Respekts und gegenseitiger Wertschätzung. Während meiner MND-Zeit in dem eingeschworenen Team von Fallschirmjägern war es eine Grundvoraussetzung, sich einzubringen und anzupassen. Als Einzelkämpfer hätte ich dort keine fünf Minuten überstanden. Nach dem militärischen Wettkampf bekam ich eine Leistungsprämie in Anerkennung meiner herausragenden Leistungen innerhalb des Mund-Zuges und des Diensthundezuges. Ich wurde zum Fachunteroffizier ausgebildet und erhielt sogar die schriftliche Bestätigung meines Bataillonskommandeurs, dass ich der leistungsstärkste Unteroffizier ohne Portepee des Bataillons bin. Ich frage mich daher, wie man auf den Gedanken kommen kann, meine jetzigen Probleme ohne konkrete Begründung und völlig diffus auf meine Kindheit zu schieben.
     
    Ich weiß nicht, wie meine Geschichte ausgehen wird. Oft habe ich darüber nachgedacht, alles mit einem großen Knall zu beenden. Inzwischen habe ich feststellen müssen, dass ich damit vielen meiner versehrten Kameraden eher schaden würde. Ich war gedanklich so weit, Menschen, die mich auf dem Papier demütigten, Ärzte, die aus persönlicher Ablehnung heraus in Gutachten gegen mich entschieden, mit in den Tod zu reißen. Lange hielt mich Idor davon ab. Die Verantwortung für meinen Buddy auf vier Pfoten war alles, woran ich noch glaubte. Nicht zuletzt die Liebe zu ihm brachte mich davon ab, eine große Dummheit zu begehen. Ich hatte sogar eine Liste geschrieben mit Leuten, die auch eine PTBS verdient hätten. Sie alle

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