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Soldatenglück - Sedlatzek-Müller, R: Soldatenglück

Soldatenglück - Sedlatzek-Müller, R: Soldatenglück

Titel: Soldatenglück - Sedlatzek-Müller, R: Soldatenglück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Sedlatzek-Müller
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Hilfe, so laut und kläglich, dass unsere Wachposten es über den See hinweg hören konnten. Ein Bergungsversuch mit dem Hubschrauber musste abgebrochen werden, weil der Luftdruck der Rotorblätter weitere Minen zur Explosion hätte bringen können. Es blieb dem jungen Kerl nichts anderes übrig, als sich seine Beine selbst abzubinden und mithilfe seiner Arme durch das Minenfeld bis an das Ufer des Sees zu kriechen, um sein Leben zu retten. Dort wurde er dann von den Kameraden, die am Morinipass stationiert sind, in ein Ruderboot gezogen.
    Die Bootsbesatzung hatte bereits Wochen zuvor nach einer sicheren Stelle gesucht, von der aus man das Ufer betreten könnte. Sie mussten aber feststellen, dass die komplette westliche Uferseite stark vermint und jeder Versuch einer Anlandung äußerst riskant ist. Die schweren Verletzungen des Geretteten konnten zwar ambulant erstversorgt werden, den Militärärzten im Lazarett fehlte aber die Möglichkeit, ihn weiter zu behandeln. Daher versuchte man den Verletzten in einem Krankenhaus in Prizren unterzubringen. Weil er aber ein Serbe war, wollte man ihn dort nicht versorgen. Erst auf massiven Druck hin wurde der Mann widerwillig aufgenommen. Die Kameraden, die ihn der Obhut der Ärzte überlassen haben, fühlten sich weiterhin verantwortlich und erkundigten sich am folgenden Tag nach dem Verletzten. Im Krankenhaus gab man vor, nichts über den Mann zu wissen. Von den Leuten, die bei der Aufnahme anwesend waren, ließ sich niemand mehr auftreiben. Zwei Tage später erhielten meine Kameraden von Feldjägern die Information, dass der Gesuchte gefunden wurde: tot, auf einer Müllkippe, auf der schon öfter tote Serben gefunden wurden.
    Wer von uns mit humanistischen Idealen in dieses Land gekommen ist, hat sich spätestens zu diesem Zeitpunkt von ihnen verabschiedet. Eigentlich geht es uns nur noch darum, unsere Pflicht zu erfüllen und heil nach Hause zu kommen. Ich beobachte, dass nach den ersten zwei Monaten im Einsatzland Soldaten immer öfter Fehlverhalten an den Tag legen. Um die Disziplin aufrechtzuerhalten, werden die Strafen immer drakonischer. Während anfangs zwei Soldaten mit einer bloßen Verwarnung davonkamen, als sie in einem Anflug von Lagerkoller die eigene Lagerwache angriffen und zu entwaffnen versuchten, wurden jetzt zwei Wachsoldaten sofort zu einer Geldstrafe von 1000DM verdonnert, weil sie sich während ihrer Wache einen Döner von einem nahe gelegenen Imbiss bringen ließen. Obwohl sie nicht die Ersten und Einzigen waren, hat Hauptfeldwebel Schleifer an ihnen ein Exempel statuiert, als er sie erwischte.
    Der Auftrag, ein großes Waffenversteck der UÇK auszuheben, den wir an einem der folgenden Tage erhalten, bringt uns unseren Kampfgeist glücklicherweise schnell zurück. Der Zugriff soll noch am selben Tag erfolgen, wir sind daher in Alarmbereitschaft. Die Fahrzeuge stehen zur Kolonne aufgereiht, vollgetankt und technisch einwandfrei. Einen Ausfall in den Bergen können wir uns nicht leisten. Ein liegen gebliebenes Fahrzeug würde die engen Serpentinenstraßen oder Pfade für die nachfolgenden Truppenteile oder Rettungsfahrzeuge komplett versperren und im schlimmsten Fall damit auch den einzig möglichen Rückweg blockieren. Die Besatzung ist bestimmten Fahrzeugen fest zugeordnet. Ihre Rucksäcke mit Proviant und Ausrüstung haben die Männer bereits auf die Ladefläche gelegt. Jetzt heißt es mal wieder warten. Einige meiner Kameraden vertreiben sich die Zeit damit, ihre Waffen zum wiederholten Mal auf tadellose Funktionstüchtigkeit zu überprüfen, andere schreiben Briefe an ihre Angehörigen. Ich schließe mich denen an, die noch so viel wie möglich zu schlafen versuchen. Wir wissen nie, wie lange ein solcher Einsatz dauern wird. Das Ziel und die Fahrstrecke unterliegen bis zum letzten Moment der Geheimhaltung und sind maximal dem höchsten Vorgesetzten einer Teileinheit schon vorher bekannt. Er verkündet die Koordinaten erst beim Briefing kurz vor Abmarsch seinen Unterführern. Da es für mich nichts weiter zu tun gibt, außer startbereit zu sein, lege ich mich zum Dösen in Uniform und Stiefeln auf die Bettmatratze, bis das Signal zum Aufbruch gegeben wird.
    Ab diesem Moment geht alles ganz schnell. Die Bristolweste wird noch im Aufstehen übergeworfen. Die weitere Ausrüstung, sprich Waffe, Helm und das mit Taschen bestückte Lochkoppel, greifen wir beim Loslaufen. Wenige Augenblicke später fahren wir los. Ein Wiesel mit seiner Maschinenkanone

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