Soldatenglück - Sedlatzek-Müller, R: Soldatenglück
sind genau das Kaliber, das eine für den Nahkampf ausgerichtete Kompanie benötigt.
Auf alle Soldaten seines Zuges wirkt Schleifer wie ein Habicht über einem Taubenschlag. Ich bin daher froh darüber, in den Diensthundezug zu kommen. Am liebsten hätte ich das nur mit dem Spieß geregelt, doch nun lässt es sich wohl nicht umgehen, auch meinem Zugführer zu melden, dass ich nach dem MND-Wettkampf in die 1. Kompanie versetzt werde. Mir ist schon auf dem Weg zu seinem Dienstzimmer mulmig zumute. Es ist das erste Mal, dass ich mich in die Höhle des Löwen begeben muss. Beim Eintreten stockt mir der Atem – in roter Farbe ist mit breitem Pinsel »Menschenschinder!« an die Wand geschmiert – über alle gerahmten Urkunden und Auszeichnungen hinweg. Die Farbe ist die Glasscheiben hinabgelaufen und wirkt wie Blut, das aus einer langen Schnittwunde quillt.
Die Atmosphäre in dieser winzigen Dienststube ist eisig. Schleifer, der an seinem Schreibtisch sitzt, wendet sich mir zu und sagt ohne Umschweife mit sonorer Stimme: »Sie kommen zu mir in den Scharfschützenzug!« Ich fasse mir ein Herz und erwidere, dass ich gerade meine Aufnahme in den Diensthundezug erwirkt habe und meine Versetzung dorthin beantragen will. Schleifer zeigt keine Gemütsregung. »Hauptgefreiter Müller, Sie sind für den Scharfschützenzug prädestiniert. Sie kommen zu mir und werden Gruppenführer.« Ich bringe erneut hervor, dass ich bereits bei Hauptfeldwebel Festas war und für den Diensthundezug eingeplant wurde. Schleifer richtet seine Aufmerksamkeit auf die Formulare vor sich und würdigt mich keines weiteren Blickes, als er mir sagt, dass ich meinen Versetzungsantrag beim Spieß stellen müsse. Er entlässt mich, entgegen seiner sonstigen Art, formlos und vertieft sich in die Vorgänge auf seinem Schreibtisch. Ich bin heilfroh, die Tür hinter mir schließen zu können und dieses Gespräch in meinem Sinne entschieden zu haben. Die kalte Autorität, die von Schleifer ausgeht, macht die meisten Menschen nervös. Obwohl sich keiner meiner Kameraden in seinem Zug wohlfühlt, wagt es kaum jemand, eine Versetzung einzureichen, um damit seinem harten Kommando zu entgehen. Glücklich marschiere ich ins Geschäftszimmer der Kompanie. Stabsfeldwebel Rauch akzeptiert mein Versetzungsgesuch in die 1. Kompanie ohne Weiteres.
Einen Tag nach dem MND-Wettkampf beziehe ich meine Stube im AVZ-Trakt des Kompaniegebäudes. Da Festas bereits mit dem ersten Schwung Männer an der Diensthundeschule in Koblenz ist und der Rest des AVZ an einer mehrwöchigen Gefechtsübung teilnimmt, bin ich allein auf der Stube und kann mich in aller Ruhe einrichten. Lediglich Zott und Lancer sind noch anwesend, allerdings auf anderen Stuben untergebracht. Lancer hat gerade den Einzelkämpferlehrgang in Süddeutschland absolviert. Der Lehrgang dauert etwa vier Wochen und ist eine elementare Voraussetzung, um in den Diensthundezug aufgenommen zu werden. Je nach Bedarf werden wir zukünftig den Chefs der Kampfkompanien unterstellt. Für einen Diensthundeführer ist es wichtig, dass seine Meinung Gehör findet, wenn es um den Einsatz der Hunde geht. Vorgesetzte werden sich daran gewöhnen müssen, sich von uns Mannschaftssoldaten erklären zu lassen, wann und wo ein Diensthund zur Unterstützung eingesetzt werden kann. Das letzte Wort bleibt dabei beim jeweiligen Diensthundeführer. Das Einzelkämpferabzeichen soll etwaige Barrieren überwinden helfen. Das Abzeichen mit dem Eichenlaub macht jedem sofort deutlich, dass wir uns unter lange anhaltenden, schwierigen Bedingungen bewährt haben und selbstständig Führungsaufgaben übernehmen können.
Da mir dieser Lehrgang noch bevorsteht, nehme ich mir vor, Lancer bei einem Becher Kaffee nach seinem Ablauf auszuquetschen, um gezielt dafür zu trainieren. Doch zuvor muss ich meine Unterlagen bei der 1. Kompanie abgeben. Lampe, der Geschäftszimmersoldat, erwartet mich bereits mit einem 90/5er-Formular und sagt mir, dass ich mich sofort im Sanbereich melden soll, da noch meine Tauglichkeitsuntersuchung ausstehe. Es sei geplant, dass ich mich bereits am Montag beim Chef der Inspektion in Altenstadt melde. Ich halte das für einen Scherz und sage deshalb laut: »Ach, quatsch keinen Blödsinn!« Da die Tür zum Büro vom Spieß geöffnet ist, hört dieser unser Gespräch. Rasch tritt er aus seiner Dienststube heraus und baut sich vor mir auf. Das sei keineswegs ein Scherz, bekomme ich zu hören. Ich sei mit zwei weiteren Anwärtern des
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