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Soldatenglück - Sedlatzek-Müller, R: Soldatenglück

Soldatenglück - Sedlatzek-Müller, R: Soldatenglück

Titel: Soldatenglück - Sedlatzek-Müller, R: Soldatenglück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Sedlatzek-Müller
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mir. Etliche Offiziere, deren Gesichter ich nicht zuordnen kann, begleiten ihn. Mein Blick heftet sich an den Ranger. Seine Erleichterung darüber, mich lebend wiederzusehen, ist ihm deutlich anzusehen. Er kniet in meiner Augenhöhe neben der Liege und fragt mich, ob er etwas für mich tun kann. Ich möchte etwas über meine Kameraden erfahren und frage ihn speziell nach Lancer, den ich so plötzlich aus den Augen verloren hatte. Zu meiner großen Erleichterung sagt er mir, dass alle aus dem Hundezug am Leben sind. Schnell schiebt er hinterher, dass Lancer im deutschen Lazarett liegt und wieder wohlauf ist. Wir seien auf mehrere Sanitätsstationen verteilt worden, da man im Camp Warehouse nicht auf so viele Rettungsfälle eingestellt war. Ich sei hier im Lager der Franzosen am KIA. Festas bemüht sich um ein Lächeln, als er mir berichtet, dass mein Buddy bereits Späße macht und über seinen niedrigen Ruhepuls gescherzt hat. Mein Zugführer klärt mich darüber auf, dass die Mumie in dem Zelt nebenan Kunz sei. Er sei narkotisiert und schlafe. Morgen früh, teilt er mir noch mit, werde ich mit den anderen Verletzten ausgeflogen und komme ins Bundeswehrkrankenhaus Koblenz. Idor müsse vorerst in Afghanistan bleiben und werde von dem nächsten Hundeführer, der nach Deutschland ausfliegt, mitgebracht. Als der Ranger mich mit dem Offizierstross im Schlepptau verlässt, fühle ich mich noch einsamer als zuvor. Halb im Dämmerzustand starre ich einfach vor mich hin. Irgendwann falle ich in einen leichten unruhigen Schlaf.
    Am nächsten Morgen bringt mir eine französische Sanitäterin ein frisches weißes T-Shirt, auf das zu meiner Verwunderung das Emblem einer englischen Einheit gedruckt ist. Sie sagt mir, dass es nicht mehr lange dauern wird, bis mich eine Transall abholt. Ich bin bereits am Rollfeld des Kabul International Airport und warte rauchend auf die anderen Verwundeten, unter denen sich auch mein Buddy befindet. Als er ankommt und mich sieht, lächelt er. Er ist erleichtert, mich noch in einem Stück zu sehen, ebenso geht es mir bei ihm. Wir entfernen uns ein paar Schritte, damit wir ungestört miteinander reden können. Ich biete Lancer eine Zigarette an. Mit gedämpfter Stimme frage ich ihn, ob er weiß, dass es gestern auch etliche Tote gab. Ich meine es nur zu flüstern, doch er versteht mich trotz der zerrissenen Trommelfelle. Er blickt mir fest in die Augen. Wir stehen uns direkt gegenüber, sein Blick ist intensiv und durch dringend. Ebenso durchdringend sind seine Worte: »Vergiss sie. Wir leben! Nur das ist jetzt wichtig.« Ich bin irritiert und weiß nicht, was ich jetzt noch sagen kann.
    Es wird Jahre dauern, bis ich verstehe, warum er so mitleidlos reagiert. Bis ich seine Wut auf Ohlrich und Buchner verstehe, die mit ihrem Leichtsinn das Leben ungezählter Menschen aus den Fugen gebracht haben. Es sind nicht nur die fünf Toten und außer Lancer und mir sechs weitere Verletzte, bei denen nun eine neue Zeit beginnt und das Leben aus einer komplett anderen Sicht erscheint, es sind auch die Familien, Freunde, Kinder, die nicht mehr den Menschen in den Arm nehmen werden, den sie zuvor verabschiedet haben. Die beiden EOD haben ihren Fehler mit dem Leben bezahlt. Damit ist es für sie vorbei. Es ist aber nicht vorbei für die, die um sie trauern werden, nicht für die Kinder, die ihren Vater nie wieder zu Gesicht bekommen werden, nicht vorbei für all jene, die auf dem Sprengplatz um unser Leben gekämpft haben und einige nicht retten konnten. Für sie alle fängt das Leid gerade erst an.
    Schweigend und rauchend gehen wir über das Rollfeld zurück zu den anderen Soldaten, die ungeduldig auf die Ankunft der Transall warten. Der Flug nach Usbekistan ist rüttelig. In Termez werde ich mit den anderen sieben Verwundeten in einen Med-Evac mit Intensivstation transportiert. Bei dreien besteht noch akute Lebensgefahr. Aufgrund schwerer Verbrennungen sind insgesamt vier Kameraden, die von Kopf bis Fuß bandagiert sind, in ein künstliches Koma versetzt worden. Der Airbus bringt uns nach Köln-Wahn. Dort dauert es ein wenig, bis wir aussteigen können, da Verteidigungsminister Scharping uns vor der Presse in Empfang nehmen möchte. An der Gangway schüttelt er mir die Hand und verspricht, dass mir »schnell und unbürokratisch geholfen werden wird«. Nachdem er das Gleiche meinem Buddy in die Hand verspricht und einen kurzen Blick auf die im Koma liegenden Männer wirft, steigt er schnell wieder in seinen

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