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Soldatenglück - Sedlatzek-Müller, R: Soldatenglück

Soldatenglück - Sedlatzek-Müller, R: Soldatenglück

Titel: Soldatenglück - Sedlatzek-Müller, R: Soldatenglück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Sedlatzek-Müller
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said not so fast!« Sein Arm ist in Richtung des Fahrers ausgestreckt, der Zeigefinger drohend auf den Mann gerichtet, der mit viel zu hoher Geschwindigkeit durch die Schlaglöcher donnert. Sofort wird das Tempo gedrosselt. Ich bin dem Mann dankbar, dass er auf mich achtgibt. Erleichtert falle ich in meinen Dämmerzustand zurück.
    In einem Sanitätszelt schlage ich das nächste Mal die Augen auf. Medizinisches Gerät liegt neben mir in einer Nierenschale. Sechs Soldaten in fremder Uniform stehen um meine Krankenliege und unterhalten sich anscheinend auf Französisch. Einer greift sich eine Schere aus der Schale und will sich daranmachen, meine ledernen Hosenträger, die ich zum Andenken aus einem serbischen Schützengraben mitgebracht habe, durchzuschneiden. Schwach sage ich ihm: »No, it’s a souvenir from Kosovo.« Der Mann schaut mich verdutzt an, dann scheint er zu begreifen und hilft mir, die Hosenträger über meine Schultern abzustreifen. Sein Blick fällt dabei auf mein olivgrünes T-Shirt, auf das die siebenflammige Granate, das Symbol der Fremdenlegion, gedruckt ist. Auch seine Kameraden bemerken es und nicken mir freundlich lachend zu. Statt mein eingerissenes T-Shirt wie üblich einfach aufzuschneiden, zeigen sie Verständnis dafür, dass ich es behalten möchte. Sie helfen mir dabei, es auszuziehen, und untersuchen mich anschließend.
    Während sie meine Beine abtasten und bewegen, kehrt zu meiner großen Erleichterung das Gefühl langsam bis in die Fußspitzen zurück. Die Soldaten, von denen ich annehme, dass sie Sanitäter und Ärzte sind, scheinen mit dem Ergebnis ihrer Untersuchung zufrieden zu sein. Von zwei Leuten werde ich in ein komplett unbelegtes Sanitätszelt geschoben und ohne weitere Information mir selbst überlassen. Ich liege direkt am Zelteingang und blicke auf die vielen leeren Liegen neben mir, als ein junger französischer Soldat mir ein Satellitentelefon bringt und mir auf Englisch mitteilt, dass ich meine Familie anrufen darf. Ich wundere mich selber darüber, dass es mir gelungen ist, die richtige Telefonnummer zu wählen, als mein Vater das Gespräch annimmt. Er ist überrascht, meine Stimme zu hören. Schnell sage ich ihm, dass ich bei einer Raketenexplosion verwundet wurde, es mir aber den Umständen entsprechend gut geht. Merklich irritiert sagt mein Vater, dass er gerade einen Bericht über eine Raketenexplosion im Fernsehen verfolgt. Es gebe etliche Schwerverletzte, berichtet man in einer Sondersendung. Er scheint nicht verstanden zu haben, dass ich zu diesen Verletzten gehöre. Noch einmal mache ich deutlich, dass ich gut versorgt werde, dann beende ich das Gespräch. Dankend reiche ich das Telefon an den wartenden Soldaten zurück, der daraufhin sofort wieder geht.
    Ich bin allein in einer Krankenstation, in der die Liegen wie im Obduktionssaal aufgereiht sind. Ich bin viel zu benommen und weiß auch noch nicht genug über den Hergang der Explosion, um erkennen zu können, dass ich unglaubliches Glück hatte. Ich bin am Leben und liege nicht aufgebahrt mit meiner durchgebrochenen Erkennungsmarke am Zeh hier, bereit für die Autopsie. Meine Eltern müssen keinen Leichnam in einem Zinksarg entgegennehmen. Sie werden nicht aus dem Schlaf gerissen und von einem Soldaten der Familienbetreuungsstelle oder einem Militärgeistlichen über meinen Tod unterrichtet. Stattdessen klingelt Karsten bei ihnen, Wehrpflichtiger und Geschäftszimmersoldat der 1. Kompanie 313. Er hat den Auftrag übernommen, meine Eltern in Buxtehude aufzusuchen und ihnen Genaueres über meinen Zustand und das Unglück zu berichten. Meine Mutter hat trotz ihrer Aufregung Mitleid mit dem jungen Burschen, der in unserer Küche sitzt und ihr kaum etwas über mich sagen kann. Sie macht ihm einen Kaffee und ist erleichtert zu hören, dass ich schnellstmöglich aus Afghanistan ausgeflogen werde.
    Auf der Suche nach einem Dixiklo irre ich auf wackeligen Beinen durch die labyrinthisch miteinander verbundenen Zelte der Krankenstation. Schummeriges Neonlicht erleichtert mir die Orientierung. Ein Zelt weiter liegt jemand ebenso einsam wie ich auf einer Krankenpritsche. Ich beuge mich über sein Bett, um dem wie eine Mumie bandagierten Menschen ins Gesicht zu schauen, aber auch das ist bis auf Aussparungen für Augen, Mund und Nase komplett eingewickelt. Nachdem ich ein Dixi gefunden habe, kehre ich auf meine Liege zurück, danach bin ich erst einmal allein mit meinen Gedanken. Irgendwann kommt Hauptfeldwebel Festas zu

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