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Soljanka (German Edition)

Soljanka (German Edition)

Titel: Soljanka (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niklas Frost
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möglicherweise Dinge aus der Rotweinrunde erzählt, die ihm nicht
gefallen haben.«
    Trotz ihrer Anspannung lächelte sie. Wie schon an dem Abend bei
Keilmeier staunte Stamm, wie sehr es ihren Gesichtsausdruck veränderte. Als
hätten sich nach einem trüben Tag ein paar Sonnenstrahlen durch die dicke
Wolkendecke gebohrt.
    »Zuzutrauen wär’s dem Gummiohr.«
    Stamm gluckste. »Gummiohr hab ich ja noch nie gehört. Passt aber.
Kennen Sie eigentlich den anderen Typen? Der sich neben Waleska gesetzt hat?«
    Sie beugte sich vorsichtig vor und schielte an Wanja vorbei. »Nie
gesehen.«
    Stamm folgte ihrem Blick aus den Augenwinkeln. Der modische
Sechzigjährige war fast vollständig von Waleska verdeckt. Er saß mit
verschränkten Armen da und verfolgte die Sitzung. Oberbürgermeister Kostedde
rief den Tagesordnungspunkt vier A auf.
    »Herr Ahlemeier, Sie haben den Punkt beantragt – bitte sehr.« Er
schenkte dem SPD -Fraktionsvorsitzenden ein
Zähnefletschen, das die wohlwollende Lokalpresse als Lächeln bezeichnen würde.
    Der Obergenosse erhob sich. »Herr Oberbürgermeister, meine Damen und
Herren, wir haben diesen Tagesordnungspunkt beantragt, weil wir uns nach der
Berichterstattung in der Presse … äh, also in den überregionalen Medien sogar …
ich meine, man muss da ja nur entsprechend ein bisschen googeln, und da stößt
man sofort drauf, wenn man ›Russen-Hochhaus‹ eingibt … und wir sind hierbei der
festen Überzeugung, dass so etwas dem guten Ruf unserer Heimatstadt an dieser
Stelle alles andere als zuträglich ist. Wir meinen deshalb, Herr
Oberbürgermeister, dass Sie diesem hohen Hause diesbezüglich hier und jetzt
Rede und Antwort schuldig sind. Meine Damen und Herren, die Bürger dieser Stadt
haben ein Recht zu erfahren, was es mit diesen Plänen auf sich hat, die da so
kursieren. Von daher haben wir Ihnen einen Fragenkatalog zukommen lassen, und
wir erwarten, dass Sie ihn hier und jetzt umfassend und ohne Wenn und Aber
beantworten. Ich darf die Fragen noch einmal vortragen, damit alle Mitglieder
dieses hohen Hauses und auch die interessierten Bürger entsprechend vor Augen
geführt bekommen, worüber wir hier reden. Im Übrigen beantragen wir, dass die
Fragen dem Sitzungsprotokoll beigefügt werden. Wir haben sie dem Schriftführer
bereits übergeben. Mit Ihrer Erlaubnis, Herr Oberbürgermeister, möchte ich
jetzt die Fragen vorlesen.«
    »Bitte sehr«, sagte Kostedde gnädig.
    »Erstens: Ist es zutreffend, dass beabsichtigt ist, mit russischem
Kapital ein Hochhausprojekt an exponierter Stelle im Stadtgebiet zu
realisieren? Zweitens: Wurde überprüft, aus welchen Quellen dieses Kapital
stammt? Drittens: Befinden sich die Pläne im Einklang mit der gültigen
Düsseldorfer Bauleitplanung? Viertens: Inwiefern ist die Stadtverwaltung,
insbesondere das Büro des Oberbürgermeisters, in die Pläne involviert? Welche
Hilfestellungen wurden den Projektträgern gewährt? Fünftens: Ist es zutreffend,
dass gegen einen Hauptbeteiligten an dem Projekt im Zusammenhang mit einem
aktuellen Mordfall ermittelt wird? Sechstens: Welche Maßnahmen zur Eindämmung
des Image-Schadens für die Stadt Düsseldorf wurden im Rahmen des städtischen
Krisenmanagements durch die Verwaltungsspitze ergriffen?«
    Ahlemeier verstummte, blieb aber stehen und studierte noch eine
Weile das Blatt Papier, das er in den Händen hielt.
    »War’s das, Herr Ahlemeier?«, fragte Kostedde.
    »Äh … ja, fürs Erste, denke ich, schon.« Er setzte sich.
    »Nun gut«, sagte Kostedde in unnachahmlich gelangweiltem Tonfall.
»Dann will ich mich mal um eine umfassende Antwort ohne Wenn und Aber bemühen,
soweit mir das bei diesen Unterstellungen mit Fragezeichen möglich ist.
Erstens: Nein, es ist nicht zutreffend. Trotz intensiver Recherche ist es uns
nicht gelungen zu eruieren, was das für ein Projekt sein soll, dem unsere
geneigte Lokalpresse diesen aparten Namen verpasst hat. Wir verfolgen solche
Pläne jedenfalls nicht. Nach zwanzig Jahren im Rat der Stadt sollten Sie
wissen, Herr Ahlemeier, dass die Verwaltung keine Hochhäuser baut. Die zweite
Frage kann ich folglich beim besten Willen nicht beantworten. Selbst Sie werden
einsehen, Herr Ahlemeier, dass ich schlecht die Herkunft von Kapital ermitteln
kann, von dessen Existenz mir nichts bekannt ist. Im Übrigen würde ich eine
solche Frage, selbst wenn sie beantwortbar wäre, mit Sicherheit nicht in
öffentlicher Sitzung behandeln. Drittens: Da ich keine entsprechenden Pläne
kenne,

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