Soljanka (German Edition)
aber jedenfalls nicht ergeben. Ich kann nur grundsätzlich
feststellen, dass wir bei jedem Projekt, das sich einer Realisierung nähert,
die Seriosität der Vorhabenträger selbstverständlich genau prüfen. Diese
Notwendigkeit hat sich bislang aber nicht ergeben. Leider, muss ich hinzufügen,
denn natürlich sind wir stets daran interessiert, dass sich unser Düsseldorf
weiterentwickelt.«
Wieder brandete Applaus auf. Kostedde hätte ihn eigentlich
unterbinden müssen, aber er war offenbar gerade bürgernah gestimmt und legte
die Sitzungsordnung großzügig aus. Stamm lehnte sich zurück. Die Luft war raus,
es war offensichtlich, dass die Opposition Kostedde nicht mehr in die Defensive
würde drängen können. Nach einem letzten kraftlosen Angriff des SPD -Fraktionsvorsitzenden und einer belanglosen Replik
seines CDU -Amtskollegen war der
Tagesordnungspunkt ohne Beschluss abgehakt.
Waleska und sein Sitznachbar sammelten ihre Mäntel ein und standen
auf. Stamm beobachtete sie aus den Augenwinkeln. Wanja tat es ihm gleich,
während Corinna Metzger sich abgewandt hatte und ausdruckslos ein Paar an die
Wand gepinnte Pläne zu studieren schien. Wanja nickte Waleska zum Abschied zu
und sah den beiden Männern nach. Als sie den Saal verlassen hatten, beugte er
sich zu Corinna Metzger herab und flüsterte ihr etwas ins Ohr. Sie nickte und
richtete sich auf.
»Also dann, ich muss los«, sagte Wanja. Dann blickte er zu Stamm.
»Grüß Eva schön. Ich meld mich die Tage.«
»Mach’s gut«, erwiderte Stamm.
Wanja hatte es eilig. Als Stamm sich nach ein paar Sekunden
umdrehte, war er schon durch die Tür verschwunden.
»Na, das war ja wohl eher ein Sturm im Wasserglas«, flüsterte Stamm
Corinna Metzger zu.
Sie nickte. »War nicht anders zu erwarten. Sie sind Kostedde einfach
nicht gewachsen. Und er war ja durch Ihren Artikel heute vorgewarnt.«
»Höre ich da einen Vorwurf heraus?«
»Keineswegs, ich habe mich nur gewundert, dass Sie den Namen
›Tutschkin‹ erwähnen.«
»Na, der ist doch in der Rotweinrunde bei Keilmeier gefallen.«
»Nicht in meiner Anwesenheit.«
Stamm grinste. »Dann war’s wohl hinterher. Einer der Herren wusste
Bescheid. Hand aufs Herz: Halten Sie es für denkbar, dass sich Kostedde nicht
an ihn erinnert?«
Sie lächelte ihn mit einem leichten Kopfschütteln an. Verarschen
kann ich mich selber, sagte ihr Blick.
»Wie weit ist das ›Russen-Projekt‹ denn gediehen?«, fragte Stamm.
Ihre Lippen zogen sich zu einem Strich auseinander. »Tut mir leid,
ich bin nicht mehr im Geschäft.«
Sie zuckte plötzlich zusammen, erhob sich und fingerte ihr Handy aus
der Hosentasche. »Ja«, murmelte sie, während sie in Richtung Tür eilte. Ein
paar Sekunden später war sie wieder da, setzte sich aber nicht mehr, sondern
schnappte sich nur ihre Jacke von der Stuhllehne.
»Die Pflicht ruft«, flüsterte sie Stamm zu und war weg.
Stamm blieb noch eine halbe Minute unschlüssig sitzen, dann machte
er sich auch auf den Weg. Draußen im Gang blickte er aus dem Fenster auf den
Marktplatz. Er sah Corinna Metzger am Jan-Wellem-Denkmal vorbeihasten. Stamm
eilte die Treppen hinunter und trabte in Richtung Marktstraße. Corinna Metzger
war längst um die Ecke verschwunden. Er sah sie auch nicht mehr, als er auf der
belebten Marktstraße ankam. Er verlangsamte seinen Schritt und überlegte, wohin
er sich wenden sollte.
Plötzlich fiel ihm inmitten der Passantenmenge eine Gestalt auf, die
von der querenden Flinger Straße aus in Richtung Uerige lief. Auch auf die
Entfernung war die Lederjacke mit Pelzkragen zu erkennen. Stamm legte wieder
einen Zahn zu. Als er am Uerige ankam, hatte er zwar freie Sicht auf die kurze
Steigung zwischen den Heizpilzen der Hausbrauerei; Wanja war aber nirgends zu
sehen.
Stamm dachte kurz nach. Wanja hatte sich nicht so verhalten, als
wolle er auf ein leckeres Alt einkehren. Also ließ auch Stamm das Uerige links
liegen und ging in Richtung Rheinufer. Wanja war wie vom Erdboden verschluckt.
»Scheiß drauf«, murmelte Stamm und machte sich auf den Weg zum
Kassenautomat der Tiefgarage.
Er bezahlte mit seiner EC -Karte und
stieg in die Unterwelt. Vielfach verstärktes Motorengeheul empfing ihn, als er
aus dem Treppenhaus in seine Parkebene trat. Bedrohlich klingendes
Reifenquietschen mischte sich unter das Brummen, Stamm trat unwillkürlich einen
Schritt zurück, einem Impuls folgend, sich schutzsuchend an die Wand zu
pressen. Der Wagen, der den Radau verursachte, war jedoch weit
Weitere Kostenlose Bücher