Soljanka (German Edition)
weit enttäuscht. Von einer
Kennerin hätte ich mehr erwartet. Ce-viche! Meeresfrüchte und Krabben,
eingelegt in einer pikanten Limonenmarinade.«
»Ach das.«
»Ich hoffe, es ist okay, dass ich Nordseekrabben und eine gewöhnliche
Meeresfrüchtemischung genommen habe. Peruanische Sandgarnelen gab es bei Edeka
ebenso wenig wie Lama.«
»Hm, na ja.« Stamm rümpfte demonstrativ die Nase.
»Ich find’s gut«, sagte Eva. »Von mir aus hättest du auch gern ein
paar Spreewaldgurken reintun können. Aber es sieht auch so fabelhaft aus«,
fügte sie schnell hinzu, als sie Wanjas ratlosen Blick sah.
Wanja grinste und stellte die Schale auf den Tisch.
Es schmeckte tatsächlich gut. Wanja hatte es vielleicht ein wenig
mit dem Sellerie und dem Koriander übertrieben, es war auch einen Tick zu
sauer, aber sonst …
»Echt lecker, Wanja«, resümierte Stamm. »Wenn’s mit der
Bauprojektvermittlung mal haken sollte, wirfst du dir so ’n Indio-Poncho über
und machst einen peruanischen Imbiss auf.«
»Wartet erst mal, bis ihr das Hauptgericht probiert habt.« Wanja
sprang auf und sammelte die Teller ein. »Das Besteck behaltet ihr am besten.
Corinna, kannst du von da vorn die neuen Teller holen? Danke.«
Wanja glitt beschwingt zum Backofen und förderte zwei dampfende
Schüsseln hervor, die er zum Tisch balancierte und mit großer Geste abstellte.
Er zeigte auf eine Schüssel.
»Und nun das Hauptgericht: Hühnchenfilet vietnamesisch mit grüner
Papaya in einer Erdnuss-Chili-Sauce und Koriandergrün. Der Hammer ist aber«,
und nun deutete er auf die andere Schüssel, »nicht mit dem üblichen Parfümreis,
sondern mit russischen Spinatpiroggen.«
Er blickte erwartungsvoll in die Runde.
»Erdnusshuhn mit Spinatpiroggen?«, fragte Eva.
»Na klar«, sagte Wanja. »Das hat Ho Chi Minh auftischen lassen, als
Breschnew auf Staatsbesuch im kommunistischen Bruderland war. Oder war’s
umgekehrt?«
»Richtig«, rief Eva. »Das kulinarische Manifest von Omsk! Aber wenn
ich mich recht erinnere, waren da auch Senfgurken dabei.«
»Falsch«, sagte Wanja. »Senfgurken gab’s immer nur bei Honecker.
Stimmt’s, Corinna?«
»Klar. Senfgurken gehörten zu den fünf Artikeln, die es praktisch
immer zu kaufen gab. Der einzige Beitrag der DDR zum kulinarischen Welterbe. Stehen die nicht sogar unter dem Schutz der
Unesco?«
»Ich meine, so was mal gelesen zu haben«, sagte Stamm. »Aber sag
mal, Wanja, wie hast du das alles bloß hergezaubert?«
»Corinna hat mir geholfen«, grinste Wanja. »Während ich das Hühnchen
beim Vietnamesen an der Roßstraße geholt habe, ist sie zum russischen
Continent-Markt in Rath gefahren und hat die Piroggen besorgt. Jetzt haut aber
rein, sonst wird’s noch kalt!«
Während Stamm, Wanja und Corinna Metzger es nach zaghaften
Fusionsversuchen doch vorzogen, erst die Piroggen und dann das Hühnchen zu
essen, tunkte Eva die Teigtäschchen mit großem Appetit in die Erdnusssoße.
Nachdem sie ihren Teller mit der letzten Pirogge fast schranksauber gewischt
hatte, tupfte sie sich mit der Serviette den Mund ab.
»Mhm, Wanja, wie bist du bloß auf so eine kühne Kombination
gekommen?«
»Inspiration«, sagte er. »Wie sieht’s aus? Passt noch ein kleines
Dessert rein? Oder sollen wir ’ne Pause machen?«
»Wenn noch was reinpasst, dann jetzt«, sagte Eva.
Corinna Metzger und Stamm stöhnten, aber Wanja war nicht zu bremsen.
»Solche Gäste lob ich mir. Okay, Corinna, kannst du kleine Teller auftun?«
Er selbst öffnete den Backofen und holte eine Konstruktion aus einem
flachen Teller, dessen Ladung offenbar mit einem draufgestülpten Suppenteller
vor dem Austrocknen bewahrt werden sollte, heraus. Er stellte ihn auf den Tisch
und sprang zum Tiefkühlschrank, aus dem er eine Packung Eis hervorkramte. Mit
einem Esslöffel grub er kleine Portionen heraus, formte sie mit Hilfe eines
zweiten Löffels zu Kugeln und drapierte sie in eine flache Schüssel. Dann hob
er den umgestülpten Suppenteller hoch, unter dem ein Stapel kleiner, dünner
Pfannkuchen zum Vorschein kam.
»So, meine Damen und Herren, es folgt der Crossover-Kracher
schlechthin, ein Dessert wie aus der UNO -Kantine:
russisch-vietnamesische Buchweizen-Bananen-Blini mit peruanischem Mango-Eis.
Langt zu!«
Eva ließ sich nicht zweimal bitten. Sie versuchte vorsichtig, mit der
Gabel den obersten Pfannkuchen vom Stapel zu nehmen, aber er riss sofort.
»Hmmja«, machte Wanja. »Das Rezept ist noch nicht hundertprozentig
ausgereift. Die
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